Störangriffe auf GPS-Flugzeugsysteme: Gefahren und Gegenmaßnahmen

Elektronische Störangriffe auf GPS-Systeme
Flugzeug-Navigationssysteme im Visier

ArtikeldatumVeröffentlicht am 02.09.2025
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Blick in das Cockpit eines Airbus A321XLR
Foto: Airbus

Der vermutliche Stör-Angriff auf das Flugzeug der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag zeigt einmal mehr die wachsende Gefahr durch Attacken auf Navigationssysteme im Luftverkehr. Bereits im Jahr 2023 gab es zahlreiche Zwischenfälle mit absichtlichen Navigationsstörungen ziviler Flüge, vor allem im Nahen Osten. Die gestörten Flugzeuge meldeten Navigationsprobleme, teilweise fielen komplette Bordnavigationsanlagen aus, darunter das bordgestützte Referenzsystem (IRS), so dass mithilfe der Flugsicherung und deren Luftraum-Radar wieder klassisch per Funk die korrekte Position überwacht werden musste.

Neben dem schon länger bekannten "Jamming" (Signalstörung), einer gezielten Empfangsverschlechterung der relativ schwachen GPS-Signale in einer Region durch Störsender, rückt mittlerweile auch das "Spoofing" (Signalfälschung) in den Vordergrund. Spoofing ist eine weiter reichende, bösartigere Störung der Bordelektronik, etwa durch verfälschte Aktualisierungsdaten für die Borduhr, die sich verstellt oder ausfallen kann. Auch verfälschte IRS-Korrekturdaten oder GPS-Signale können einer Besatzung falsche Positionen vorgaukeln. Mit der falschen Uhrzeit kann auch der vorberechnete Flugverlauf im Flugplan des Flight Management Systems gegenüber dem vorher errechneten Kraftstoffverbrauch derart durcheinandergeraten, dass eine Kettenreaktion von Störfolgen droht. Auch kann nach Navigations-Systemausfällen ein Flugzeug oft nicht mehr die strengen RVSM-Standards für Reiseflüge mit reduzierter Höhenstaffelung im oberen Luftraum einhalten oder mehrere Hundert Kilometer seitlich vom Kurs abdriften. Besonders nahe Kriegs- und Krisengebieten, wo die genannten Störungen am häufigsten auftreten, ist dies potenziell sehr gefährlich.

Eine gängige Avionik-Schutzmaßnahme ist, die automatische Aktualisierung der Borduhr während des Überflugs von vermuteten Störgebieten zeitweise abzuschalten, sofern der Flugzeughersteller dieses Vorgehen zuvor genehmigt hat.

Minister fliegt "blind"

Am 13. März 2024 etwa wurde der britische Verteidigungsminister Grant Shapps an Bord einer Envoy IV CC Mk1 der RAF, einer zivil registrierten Dassault Falcon 900LX, Opfer einer halbstündigen aktiven GPS-Störung, als er, auf dem Rückflug von Polen nach England, Kaliningrad passierte. Ob es ein gezieltes Störmanöver war oder eine unangekündigte Übung Russlands stattfand, ist unklar. Die Briten konnten Ersatzsysteme nutzen und gerieten nicht tatsächlich in Gefahr. Doch rund 500 zivile Flüge in einem Gebiet zwischen Schweden, Ostsee, Nordostdeutschland und Polen durchflogen den gestörten Bereich ebenfalls.

Das Thema Spoofing und Jamming beschäftigt mittlerweile auch Luftfahrtbehörden, Flugzeugbauer und die ICAO. Auf einem "Airbus Safety Media Day" in Hamburg, zu dem auch die FLUG REVUE eingeladen war, erläuterte Airbus im Mai 2024 die hauseigenen Maßnahmen, mit denen man den Schutz der Avionik verbessern kann. Deren Details möchte der Hersteller aus naheliegenden Sicherheitsgründen nicht öffentlich verbreiten, teilt sie aber mit seinen Betreibern.

Eine grundsätzliche Option ist aber die Nachrüstung von militärischen Störwarngeräten, die bereits lieferbar sind, nun auch in zivilen Airlinern. Damit würden die Besatzungen vor Störangriffen frühzeitig gewarnt. Eine andere Verbesserung ergibt sich durch die moderne Cockpit-Avionik automatisch, denn diese verknüpft mittlerweile viele unterschiedliche Datenquellen, um ein komplettes Lagebild zu gewinnen. Da zum Beispiel die genauen Standorte von UKW-Drehfunkfeuern (VOR) am Boden bekannt sind, kann man innerhalb der Bordelektronik gestörte GPS-Signale erkennen, sobald die unveränderbaren VOR-Positionen auf der Landkarte laut GPS nicht mehr stimmen.

EASA will störfesteres GPS

Bei einem Workshop zum Thema Spoofing und Jamming hatte der neue EASA-Exekutivdirektor Luc Tytgat schon Ende Januar 2024 in Köln gewarnt: "Wir beobachten eine starke Zunahme der Angriffe auf Satellitennavigationssysteme. Dies ist ein Sicherheitsrisiko, das wir ausschalten müssen und ein Vorrangthema für uns. Wir müssen sicherstellen, dass Piloten und Besatzungen wissen, wie sie darauf reagieren müssen, um dennoch sicher landen zu können. Mittelfristig müssen wir die Zulassungsregeln für Navigations- und Landesysteme anpassen. Und längerfristig müssen wir uns an der Konstruktion künftiger Satellitensysteme beteiligen."