Die An-124 mit dem Kennzeichen RA-82078 war auf humanitärer Mission: Eine Lieferung von Covid-19-Testkits aus China führte sie Ende Februar 2022 ins kanadische Toronto. Russlands Angriff auf die Ukraine hatte da schon stattgefunden, doch für die private russische Frachtfluglinie Volga-Dnepr stellte das kein Hindernis dar – sie schickte ihre Antonow am 27. Februar 2022 trotzdem wie vereinbart zum Flughafen Toronto-Pearson. Das wiederum wurde Flugzeug, Crew und Airline zum Verhängnis, denn zwischenzeitlich in Kraft getretene Sanktionen machten einen Start der An-124 zurück nach Russland mit einem Mal unmöglich.

Die in Toronto zwangsgeparkte An-124 von Volga-Dnepr
Die gestrandete Antonow
An dieser Lage hat sich auch zweieinhalb Jahre später nicht wirklich etwas geändert. Noch immer parkt die RA-82078 auf einem abseitigen Stellplatz in Toronto, verursacht horrende Parkgebühren und wird vom Herumstehen sicher nicht besser. Die kanadische Regierung denkt allerdings nicht daran, das "erbeutete" Flugzeug an Volga-Dnepr zurückzugeben. Stattdessen gab es gar Bestrebungen der Regierung Trudeau, die An-124 per Gesetzesbeschluss ins Eigentum der Ukraine zu überführen. Auch das ist bislang allerdings nicht geschehen – während die Eigentümerin aus Russland weiter auf ihr Recht pocht.
Ein Fall fürs Schiedsgericht
Der neueste Versuch von Volga-Dnepr, doch noch an die festgesetzte Antonow zu kommen, ist ein internationales Investitionsschiedsgerichtsverfahren. Ein solches hatten die Russen bereits Ende 2023 angedroht, für den Fall, dass sich nicht vorab eine außergerichtliche Einigung erzielen lasse. Der "Vorschlag zur Beilegung des Streits" sei von der Gegenseite aber abgelehnt worden, schreibt Volga-Dnepr in einer Mitteilung vom 26. August. Deshalb habe man die kanadische Regierung nun über die Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens informiert.
Als Begründung für das Verfahren schrieb Volga-Dnepr: "Kanada enteignete nicht nur das Unternehmen und das Eigentum der Fluggesellschaft als Investor, sondern verletzte auch andere Bestimmungen des Abkommens zwischen der UdSSR und Kanada über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen vom 20. November 1989."

Die Antonows von Volga-Dnepr waren vor dem Ukraine-Krieg weltweit gefragt für Spezialtransporte.
100 Millionen Dollar Schaden?
Ob Volga-Dnepr sich die gestrandete An-124 auf dem Gerichtsweg zurück erstreiten kann, scheint fraglich. Wann und wo das Verfahren stattfinden soll, ist bislang unklar. Selbst bei einem formalen Erfolg bliebe die Frage der praktischen Umsetzung – allein schon deshalb, weil die RA-82078 nach der langen Standzeit im Freien erst wieder in einen flugbereiten Zustand versetzt werden müsste. Volga-Dnepr schätzt den durch das "illegale Vorgehen der kanadischen Behörden" entstandenen Schaden nach eigenen Angaben auf bislang mindestens 100 Millionen US-Dollar.
Kiew will sie auch...
Indessen dürfte man auch in Kiew weiter mit Argusaugen auf den weiteren Verlauf der Geschichte blicken. Denn die Ukrainer sehen in der – ihnen von der Regierung Kanadas zugesprochenen – Volga-Dnepr-Antonow eine adäquate Reparationsleistung für jene An-124, die bei Kampfhandlungen um den Antonow-Werksflugplatz Kiew-Hostomel im Februar 2022 schwer beschädigt wurde. Noch im April dieses Jahres bekräftigte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal das Interesse seines Landes, sich die RA-82078 möglichst rasch anzueignen. Das letzte Kapitel des Possenspiels ist also längst noch nicht geschrieben.