Es ist beileibe nicht die Zeit der Großflugzeuge: Weil die Corona-Krise die weltweite Nachfrage nach Flügen einbrechen ließ, tun sich Jets mit vielen Sitzen anhaltend schwer am Markt. In Europa drosselte Airbus deswegen die Produktion der Widebodies A330neo und A350, Boeing musste seinerseits den Ausstoß an 787 und 777 deutlich absenken. So gesehen kam es einigen Airlines vielleicht gerade recht, als Boeing Ende Januar Woche erklärte, die Zulassung der neuen 777X würde sich aus technischen Gründen um ein weiteres Jahr verzögern. Man könne die ersten Exemplare deshalb frühestens Ende 2023 ausliefern.
Mehr als ein Drittel der Bestellungen gefährdet
Für Boeings Auftragsbuch birgt die weitere Verspätung der 777X allerdings ein großes Risiko. Denn angesichts des abermals gedehnten Zeitplans erlauben die Verträge, dass einige Kunden von ihren Bestellungen zurücktreten können. Konkret betrifft das laut Boeing 118 Orders für die 777X. Das hat Folgen: Statt, wie bisher, 309 Festbestellungen weist der Hersteller aus Seattle diese Woche nur noch 191 Aufträge für den Riesen-Zweistrahler aus. Boeing begründet die bereinigten Zahlen mit einer Bilanzierungsregel, nach der der Konzern gefährdete Bestellungen von der Liste nehmen müsse.

Wer sind die Storno-Kandidaten?
Von wem diese "gefährdeten Bestellungen" im Einzelnen stammen, dazu gab es von Boeing keine weitere Information. Bislang konnte der Flugzeugbauer neun Kunden für die beiden 777X-Modelle 777-8 und 777-9 gewinnen, wobei letztere bei den Orders den Löwenanteil trägt. Im Einzelnen bestellten Emirates (115), Qatar Airways (60), Etihad Airways (25), Cathay Pacific (21), All Nippon Airways (20), Lufthansa (20), Singapore Airlines (20), British Airways (18) und ein anonymer Kunde (10). Das Portal Leeham News spekuliert, dass Etihad und Cathay Pacific ihre Aufträge stornieren könnten – ebenso wie der anonyme Auftraggeber. Außerdem gilt ein Teil der Emirates-Order laut Leeham als Wackelkandidat. Emirates hatte seine Bestellungen bereits einmal reduziert und gegen kleinere 787 getauscht.
Kostenfaktor 777X
In jedem Fall wäre ein Wegfall von fast 40 Prozent aller Festbestellungen ein herber Schlag für Boeing und das 777X-Programm – selbst dann, wenn der Großteil der stornierten Orders lediglich auf die 787 "umgeparkt" würde. Die 777X verschlang laut Boeing-Bilanz im vergangenen Jahr "Sonderkosten" von 6,5 Milliarden US-Dollar und trug damit nicht unerheblich zum katastrophalen Jahresergebnis des einst weltgrößten Flugzeugbauers bei. Dort stand zum Ende des Geschäftsjahres 2020 ein Rekordverlust von 11,9 Milliarden US-Dollar.