ZAL TechCenter - Forschungszentrum in Hamburg

Forschungszentrum in Hamburg
ZAL TechCenter

Zuletzt aktualisiert am 07.09.2016
ZAL TechCenter

Der Fußweg über den Parkplatz ist beleuchtet wie eine Startbahn, das Monitorgebäude über dem Haupteingang könnte als futuristischer Tower durchgehen. Startende Flugzeuge sucht man vor dem TechCenter des Zentrums für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) in Hamburg-Finkenwerder allerdings vergeblich. Dafür findet man im Inneren des u-förmigen Gebäudes eine hochmoderne Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur. Das Besondere: Hier arbeiten Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam daran, künftige Flugzeuge leiser, bequemer und treibstoffeffizienter zu machen.

Dabei geht es nicht um Grundlagenforschung, sondern darum, neue Produkte schneller zur Marktreife zu führen. „Das Ziel ist, den gesamten Innovationsprozess zu beschleunigen“, sagt  ZAL-Geschäftsführer Roland Gerhards. „Es ist eine neue Art der Zusammenarbeit mit kurzen Wegen und Möglichkeiten zum Austausch. Kunden und Partner arbeiten hier unter einem Dach zusammen.“ Davon waren zu Beginn nicht alle Unternehmen überzeugt. Es gibt weder einen Zaun um das Gelände noch langwierige Sicherheitskontrollen, die das geistige Eigentum schützen. Doch wenn Gerhards und seine Kollegen das Konzept des ZAL bei Führungen erklären, sind die meisten Bedenken beseitigt. „Die Denkweise geht Richtung Silicon Valley“, sagt Gerhards. Momentan sind 15 Unternehmen und Forschungseinrichtungen als Mieter an Bord, für bis zu 30 gibt es Kapazitäten. 

Wie ernst es der Industrie mit der gezielten Kooperation zur schnelleren Entwicklung marktreifer Produkte ist, zeigt unter anderem die Tatsache, dass Airbus seine Forschungsabteilung komplett ins ZAL verlegt hat. Ist das TechCenter also letztlich ein Forschungszentrum für den Flugzeugbauer? „Nein, das ist es nicht. Aber ohne Airbus würde das ZAL nicht funktionieren“, sagt Gerhards, der selbst 15 Jahre in unterschiedlichen Positionen bei Airbus in Hamburg und Toulouse tätig war. Auch Lufthansa Technik verlegt einige ihrer Innovationsabteilungen ins ZAL, und Diehl Aerosystems baut in Hamburg ein neues Forschungs- und Entwicklungsteam auf.

Seit Ende 2015 bietet das ZAL TechCenter auf mehr als 25 000 Quadratmetern Nutzfläche hunderte Arbeitsplätze sowie Labore und Hangars. Momentan sind rund 250 Arbeitsplätze bezogen, Ende des Jahres sollen es 600 sein. Zu den Forschungsbereichen gehört natürlich auch eine der Hamburger Paradedisziplinen: Flugzeugkabinen. In einem 20 Meter breiten und elf Meter hohen Teststand für Flugzeugrümpfe können beispielsweise neue Kabinenlayouts, aber auch Beleuchtungskonzepte und Ideen für eine schnellere Montage untersucht werden. „Hier sind Kabinengrößen bis zur A380 möglich“, so Gerhards.

Realistische Flugtests in der Akustikkammer

Auch neue Fertigungsmethoden wie der 3D-Druck oder künftige Produktionsabläufe unter dem Schlagwort Industrie 4.0 werden am ZAL erforscht. In der Halle, in der der Kabinenteststand steht, ist dafür eigens ein A320-Rumpf vorgesehen. Vor allem Airbus dürfte damit Erkenntnisse für die Steigerung der Produktionsrate der A320-Familie gewinnen. So sollen hier unter anderem kollaborative Roboter erprobt werden, die Seite an Seite mit Menschen arbeiten.

Das Thema virtuelle Realität ist ein weiterer Forschungsschwerpunkt am TechCenter. Eine 5 mal 3,5 Meter große Leinwand in einem Präsentationsraum für rund 30 Personen ermöglicht mit relativ einfacher Technik den Einstieg in die neue Darstellungs- und Bearbeitungswelt für 3D-Konstruktionen. „Wir haben die Einstiegshürden bewusst niedrig gehalten, um für kleine Unternehmen, die bisher keine Erfahrungen mit virtueller Realität haben, attraktiv zu sein“, sagt Gerhards.

Neben Flugzeugkabinen, Stromversorgungs- und Klimaanlagesystemen, Fertigungsmethoden und virtueller Realität stehen zwei weitere Schwerpunkte im Fokus. Im Brennstoffzellenlabor sollen branchenübergreifend zivile und sichere Nutzungsmöglichkeiten von Wasserstoff erforscht werden können – für die Luftfahrt, aber auch den öffentlichen Nahverkehr, die Schifffahrt und die Automobilbranche. Dafür stehen 1200 Quadratmeter Fläche, ein großes Hallentor für die Anlieferung, ein Hallenkran, ein Hauskühlkreislauf sowie ein System zur Energierückeinspeisung zur Verfügung. Untersucht werden soll hier beispielsweise die Möglichkeit, die mit Kerosin betriebene Hilfsgasturbine von Flugzeugen durch eine Brennstoffzelle zu ersetzen. Sie könnte während des Fluges etwa die Bordküche und das Unterhaltungssystem mit Strom versorgen und dabei helfen, Treibstoff zu sparen.

Direkt neben dem Brennstoffzellenlabor befindet sich eine der größten Akustikkammern Europas. Ein vereinfachtes Rumpfstück eines Airbus A320 in Originalgröße findet darin Platz. „Hier sind akustische Flugtests unter realistischen Bedingungen möglich“, sagt Gerhards. Ein fahrbares System aus 128 Lautsprechern simuliert dabei Fluggeräusche. Untersucht werden unter anderem leichtgewichtige Schallminderungskonzepte, eine verbesserte Innenakustik für eine höhere Sprachverständlichkeit in der Kabine sowie neue Simulations- und Messmethoden.

Was das ZAL von anderen Forschungseinrichtungen wie Bauhaus Luftfahrt in München, EcoMaT in Bremen oder das CFK Nord in Stade unterscheidet? „Wir betrachten verschiedene Technologiefelder, wobei wir uns auf die angewandte Forschung konzentrieren. Wir sind sehr seriennah“, sagt Gerhards. Sein Ziel: Schon in drei bis fünf Jahren sollen die ersten im ZAL entwickelten Produkte ihren Weg in Passagierflug­zeuge finden.

ZAL TechCenter

Gegründet wurde das ZAL als öffentlich-private Partnerschaft bereits 2009, um Hamburgs Position als drittwichtigsten zivilen Luftfahrtstandort nach Seattle und Toulouse zu festigen. Die größten der insgesamt neun Gesellschafter sind mit einem Anteil von jeweils 20 Prozent die Hansestadt Hamburg, Airbus sowie Lufthansa Technik. 18 Prozent hält der Verein zur Förderung der Angewandten Luftfahrtforschung, in dem sich Industrieverbände und Luftfahrtzulieferer zusammengeschlossen haben. Mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und vier Hamburger Hochschulen sind namhafte wissenschaftliche Einrichtungen beteiligt.

FLUG REVUE Ausgabe 08/2016