Alberto Santos Dumont - Ein Leben für den Menschenflug

Flugpionier Alberto Santos Dumont
Ein Leben für den Menschenflug

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Veröffentlicht am 20.10.2019
Ein Leben für den Menschenflug

Frankreich war, beginnend mit den Brüdern Montgolfier und zur Zeit der Belle Epoque, führend in der Luftfahrtentwicklung. Das lag zum einen an den monetären Möglichkeiten der Adeligen, zum anderen an deren Arbeitsverbot in weltlichen Metiers. So stellte die Luftfahrt ein willkommenes Betätigungsfeld dar. Zu dieser Zeit gab es aber auch jede Menge Tüftler, die an der Verwirklichung des Traums vom Menschenflug glaubten. Weit mehr als ein bloßer Tüftler war der Brasilianer Alberto Santos Dumont. Mit dem Millionenerbe seines Vaters wählte er Frankreich bewusst wegen der Luftfahrt als neue Heimat. Fortan investierte er in neue Ideen, allen voran Ballone, Luftschiffe und die Verwendung von Seide. Dass Luftschiffe auch steuer­bar sind, bewies er im Jahre 1901, als er innerhalb von 30 Minuten den Eiffelturm umrundete. Den von dem Industriellen Henry Deutsch de la Meurthe ausgeschriebenen Preis stiftete er anschließend hilfsbedürf­tigen Menschen in Paris. Er glaubte an den Erfolg der Luftfahrt und den Menschenflug.

Die Entwicklung im Bereich von Flächenflugzeugen ging nach der Grundlagen­forschung Otto Lilienthals rasant voran.
Allerdings ging Dumont hier zusätzlich auch andere Wege. Er engagierte den anerkannten englisch-australischen Professor Lawrence Hargrave, der mit der Konstruktion von Flugdrachen, speziell Kastendrachen, eine große Erfahrung vorweisen konnte. Mit ihm zusammen entstand das Modell 14-bis, welches bei seinem Rekordflug von einem etwa 50 PS starken Antoinette-Motor angetrieben wurde. Die Société Antoinette baute neben Fahrzeug- und Flugmotoren im Verlauf ihrer Geschichte auch eigene Flugzeuge.

Die 14-bis war ein in Kastendrachenform gebautes Fluggerät in Entenanordnung. Bambusrohre, Holz und Seide waren die hauptsächlich verwendeten Werkstoffe. Überliefert ist, dass sie sehr schwierig zu fliegen war, da sie zunächst ihre Seitenstabilität nur durch die V-Form, erst später zusätzlich durch Quer­ruder erhielt. Der sensible Vorbau des Höhenruders in Verbindung mit dem Druckpropeller erforderte ein großes Geschick des Piloten. So verliefen auch die ersten Flüge, oder besser Hopser, nicht immer erfolgreich. Zur Hilfe und Absicherung fanden diese erstmals am 22. Juli 1906 zunächst unter einem Luftschiff statt, später dann entlang eines gespannten Stahlseils, bevor Dumont seine ersten völlig freien Flüge wagte.

Der französische Aeroclub schrieb Anfang 1906 ein Preisgeld in Höhe von 3000 Francs aus, für den ersten Flug, der mehr als 25 Meter lang war. Am 23. Oktober 1906 stellte sich Santos Dumont den Schiedsrichtern. Mit am Start und unangekündigt erschien ein weiterer Pilot mit einer Eigenkonstruktion. Es war Louis Blériot. Als Edelmann ließ Dumont dem Kontrahenten Blériot den Vortritt. Doch scheiterte dieser mit seinem Flugversuch. Dann erfolgte Dumonts Rekordflug, der mehr als doppelt so weit wie gefordert verlief. Erst nach gut 50 Metern setzte die Maschine wieder auf. Im späteren Verlauf des Jahres gab es weitere Flüge, die eine Strecke von bis zu 220 Metern erreichten und weiteres Preisgeld einbrachten. In der Luftfahrtgeschichte zählt die 14-bis zu den ersten Motorflugzeugen, da die Ge­brüder Wright sich zum Start eines Starthilfe­-Katapults bedienten, während Dumonts Flugapparat selbstständig beschleunigte und abhob. Wenn man in Europa vor über 100 Jahren ein Buch über Luftfahrt kaufte, dann fand man neben dem fledermausähnlichen und mittels einer Dampfmaschine betriebenen Apparat von Clément Ader vor allem den Namen Alberto Santos Dumont.

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Vergebens sucht man nach den Gebrüdern Wright. Warum? Sie hatten ihre Maschine nach den Flügen im Dezember 1903 erst einmal eingemottet und sich um die Sicherung und Vermarktung ihrer Patente bemüht. Nicht so der Gönner Dumont. Alle seine Errungenschaften und Patente stellte er jedermann und kostenfrei zur Verfügung, da er seinen Traum vom Menschenflug realisiert sehen wollte. Zugute kam dies auch dem deutschen Pionier Hans Grade, der aus der kleinen Demoiselle von Dumont seine Libelle ableitete. Über den Schock des Missbrauchs der Luftfahrt für militärische Zwecke kam Dumont nie hinweg. Vergeblich appellierte er an den Völkerbund, den Luftkrieg und den Einsatz von etwas so Schönem wie einem Flugzeug zum Abwerfen von Bomben zu ächten. 1932 nahm er sich im Alter von 59 Jahren das Leben.