Hubschrauber-Turboprop-Flugzeug
Fairey Rotodyne - Das Lufttaxi der Zukunft

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Die Fairey Rotodyne sollte den zivilen Luftverkehr auf der Kurzstrecke revolutionieren. 1957 hob das unorthodoxe Fluggerät erstmals ab. Fairey-Testpilot Ronald Gellatly berichtet im Jahr 1959 von der Flugerprobung der Rotodyne, die letztlich ein Einzelstück blieb.

Fairey Rotodyne - Das Lufttaxi der Zukunft

„Wenn man über die Fairey Rotodyne spricht, kann das immer leicht überschwänglich wirken. Denn sie wäre schon hervorragend, wenn es sich bei ihr um einen gewöhnlichen Hubschrauber handelte. Das zeigte sich im Januar dieses Jahres, als wir mit ihr auf einem 100-Kilometer-Kurs den Weltrekord von 307 km/h aufstellten. Das sind rund 47 km/h mehr, als jemals für ein anderes Rotor-Flugzeug amtlich gemessen worden sind. Und es bezieht sich auf eine Entfernung, die für Passagiere befördernde Hubschrauber von großer Bedeutung ist.

Die Rotodyne ist aber nur nebenbei ein Hubschrauber. Sie ist in der Hauptsache ein senkrecht startendes Verkehrsflugzeug, das sich nur zum Starten und Landen in einen Hubschrauber verwandelt. Während 95 Prozent eines jeden Fluges unterscheidet es sich für den Piloten und die Passagiere in nichts von einem normalen zweimotorigen Flugzeug mit festen Tragflächen. Die vier großen Rotorblätter drehen sich weiter im Luftstrom und steuern noch einen guten Auftrieb bei, aber die Insassen merken davon nichts mehr.

Unsere Highlights

Antriebsturbinen werden einfach umgestellt

Die beiden Antriebsturbinen sind auf zwei völlig verschiedene Wirkungsweisen umstellbar. Foto und Copyright: Fairey Rotodyne

Der Witz bei der Konstruktion dieses Typs ist die Umstellbarkeit der beiden Antriebsturbinen auf zwei völlig verschiedene Wirkungsweisen. Beim Starten und Landen liefern sie die Druckluft für starke Druckdüsen an den Spitzen der Rotorblätter. Das Rotorprinzip bietet immer noch die sicherste und leistungsfähigste Methode des senkrechten Startens und Landens. Für den Vorwärtsflug wird die Druckluftzufuhr zu den Düsen an den Spitzen der Rotorblätter abgedrosselt, und die beiden Turbinen treiben dann in normaler Weise Propeller an, die dem Flugzeug eine bedeutend höhere Geschwindigkeit geben, als es als Hubschrauber erreichen könnte.

Das ist natürlich eine wunderbare Sache für die Passagiere, die auf Hubschrauber-Landeplätzen mitten in großen Städten einen solchen Luftbus besteigen, anstatt erst kilometerweit zum nächsten Flughafen fahren zu müssen. Da der gleiche Vorteil auch für das Landen zutrifft, wird die Rotodyne bei einer Reisegeschwindigkeit von über 320 km/h für Strecken wie zum Beispiel London-Paris im Vergleich mit Verkehrsflugzeugen, die die reine Flugstrecke mit einer Geschwindigkeit von 480 km/h befliegen, insgesamt doch nur die Hälfte der Zeit brauchen.

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Mögliche Kunden auch in Vancouver und New York

Ebenso natürlich ist aber auch, dass eine solche Entwicklung sich nicht über Nacht vollziehen kann. Es sind wenig mehr als anderthalb Jahre seit den ersten Versuchsflügen mit dem ersten Baumuster vergangen, und bis zum ersten bezahlten Passagierflug bleibt noch eine Menge zu tun.

Dadurch, dass die Rotodyne einer der sehr wenigen Hubschrauber ohne Transmissionswelle ist, blieb uns viel Entwicklungsarbeit erspart, und nach dem bisherigen Verlauf sind wir überzeugt, dass die Rotodyne bis 1964 wohl ihr Lufttüchtigkeitszeugnis erlangt haben wird. Diese Überzeugung wird bestimmt gestützt durch die Stellungnahme der New York Airways in den Vereinigten Staaten und der Okanagan Helicopters von Vancouver in Kanada, die beide erklärt haben, dass sie die Rotodyne in Dienst stellen wollen.

Der Erstflug 1957

Das Umschalten von Hubschrauber auf Turboprop-Flugzeug wird allmählich in einem Zeitraum von etwa 25 Sekunden ohne jeden Ruck vollzogen. Foto und Copyright: Fairey Rotodyne

Als ich am 6. November 1957 zum ersten Mal mit dem Prototyp aufstieg, war er weitgehend eine unbekannte Größe. Wir hatten einige der hauptsächlichen Konstruktionselemente mit dem einmotorigen Hubschrauber Gyrodyne erprobt; es ist aber ein großer Unterschied zwischen der zweisitzigen Gyrodyne von 2 990 kg und der Rotodyne, die in ihrer Serienform mit 57/65 Sitzen mehr als 22 Tonnen wiegen wird – mit zwei 5 000-PS-Turbinen des Typs Tyne von Rolls-Royce.

Die Rotodyne erwies sich im Vergleich mit allen kleinen und großen anderen Hubschraubern als so hervorragend flugstabil, dass wir uns sofort auf die Ausarbeitung der Umschaltungstechnik konzentrieren konnten. Dabei wurden so schnelle Fortschritte erzielt, dass bereits am 10. April 1958, nur fünf Monate nach dem ersten Flug, die erste volle Umschaltung während des Fluges durchgeführt werden konnte.

Umschalten von Heli auf Flugzeug

Seitdem ist das Umschalten von Hubschrauber auf Turboprop-Flugzeug bei den Probeflügen zu einer Routineangelegenheit geworden, und selbst in diesem Stadium waren Fluggäste nicht in der Lage, den Übergang zu bemerken, weil das Umschalten der Antriebskraft von den Spitzen der Rotorblätter auf die Propeller ganz allmählich in einem Zeitraum von etwa 25 Sekunden ohne jeden Ruck vor sich geht. Diese Umschaltung kann eines Tages vielleicht sogar automatisch gesteuert werden, weil es unser Ziel ist, dem Piloten der Rotodyne das Leben so leicht wie möglich zu machen; dabei muss man aber bedenken, dass vollautomatische Schaltungen für Flugzeuge noch in weiter Ferne liegen, selbst für normale Starrflügel-Flugzeuge.

Wenn der Pilot, wie es wohl immer der Fall sein wird, schon viele Flugstunden in kleineren Hubschraubern mit Turbinenantrieb hinter sich hat, ehe er zum ersten Mal in der Pilotenkanzel der Rotodyne sitzt, dürfte er nicht mehr als 30-50 Stunden benötigen, um sich mit der Maschine so vertraut zu machen, dass er sie als Flugzeugführer übernehmen kann.

Flugsicherheit und Lärm

Die Rotodyne ist nur nebenbei ein Hubschrauber. Sie ist in der Hauptsache ein senkrecht startendes Verkehrsflugzeug, das sich nur zum Starten und Landen in einen Hubschrauber verwandelt. Foto und Copyright: Fairey Rotodyne

Natürlich gibt es da auch noch Probleme, deren Lösung nicht meine Sache als Pilot ist. Zum Beispiel kann die Rotodyne die Hoffnung, den Luftverkehr mitten in das Herz der Großstädte hineinzuführen, nur erfüllen, wenn sie bei jedem Wetter die nötige Flugsicherheit besitzt und wenn ihr Rotorgeräusch erträglich ist.

Für die Flugsicherheit bei jedem Wetter sind Instrumente erforderlich, die es noch nicht gibt. Die Geräte- und Instrumentenhersteller sind aber dabei, die gegenwärtigen Radar-Navigationshilfen diesen Erfordernissen anzupassen und die genauen Höhen- und Geschwindigkeitsmesser herauszubringen, ehe die Rotodyne für den praktischen Einsatz fertig ist. Wegen der bemerkenswerten Flugstabilität dieses Flugzeugs haben wir selbst mit den gegenwärtigen Instrumenten keine Bedenken im Hinblick auf Anfliegen und Landen im Nebel, der alle anderen Flugzeuge am Fliegen hindert.

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Was den Lärm anbetrifft, ist zu bedenken, dass die Tynes-Turbinen erheblich leiser sind als die gegenwärtig verwendeten Eland-Turbinen. Durch den Einbau von Schalldämpfern dürfte die Lautstärke um etwa 97 db (Dezibel) gedämpft werden, und es ist ein Geräusch mit niedriger Tonfrequenz, das weit weniger unangenehm ist als die hohen Frequenzen.

“Großes Flugzeug kann niemals leise sein„

Geben wir zu: ein großes Flugzeug mit einem 10 000-PS-Rotor kann beim Starten niemals leise sein, es wird aber weit weniger nervenzerüttend sein als das einst übliche Rattern von Rädern mit eisernen Reifen über das Kopfsteinpflaster oder als die späteren Straßenbahnen. Diese Fahrzeuge sind abgeschafft worden, weil sie nicht leistungsfähig waren, nicht wegen des Lärms, den sie machten. Die Rotodyne ist das Fahrzeug von morgen, das eine Geschwindigkeit, Bequemlichkeit und Leistungsfähigkeit bietet, die selbst im Luftverkehr etwa völlig Neues sind, und das zu einem Fahrpreis, den selbst ein Omnibusbenutzer erschwingen kann. “

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Erscheinungsdatum 26.08.2023