Es ist ein britischer Sonderweg – und er folgt rein finanziellen Zwängen: Während die Streitkräfte anderer Nationen ihre taktischen Transportfähigkeiten gezielt modernisieren und – wie etwa Deutschland und Frankreich – dabei auch auf die C-130J Super Hercules von Lockheed Martin setzen, streicht die Royal Air Force (RAF) ihre 14 noch im Dienst stehenden C-130J komplett aus dem Plan – und zwar ersatzlos. Ab 2023 beginnt der Exodus der "Hercs", die eigentlich noch bis mindestens Mitte des kommenden Jahrzehnts hätten im Dienst bleiben sollen. 5.500 Flugstunden fallen im Transportbereich dadurch jedes Jahr weg. Kompensiert werden soll dieser Verlust durch eine intensivere Nutzung der Airbus A400M-Flotte. Die "Atlas" wird künftig das kleinste Transportflugzeug der Briten sein und auch taktische Einsätze übernehmen.

"Super Herc" im Schaufenster
Ob diese Umgruppierung für die tägliche Praxis zielführend ist, bleibt zweifelhaft. Beschlossen ist das Aus für die C-130J trotzdem, und deshalb rührt die Defence Equipment Sales Authority (DESA) des britischen Verteidigungsministeriums bereits die Werbetrommel für die Second-Hand-Transporter. Denn für den Schrottplatz sind die "Hercs" der Briten viel zu schade. Stattdessen sollen sie auf dem Gebrauchtmarkt neue Dienstherren finden – und stehen ab sofort im Schaufenster. Die DESA regelt den Verkauf der Flugzeuge im Auftrag der Regierung und hat in der Vergangenheit bereits gebrauchte C-130J der RAF an das Königreich Bahrain, an Bangladesch sowie an die "Blue Angels", die Kunstflugstaffel der US Navy, vermittelt.
Attraktive Gebrauchte
Das Angebot der DESA ist durchaus attraktiv. Schließlich haben die Turboprop-Transporter noch jede Menge Restflugstunden offen und zählen längst nicht zum Alten Eisen. Zudem hatte die RAF 2015 in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Marshall Aerospace ein Modernisierungsprogramm eingeleitet, das die Lebensdauer der C-130J bis weit über 2030 hinaus garantieren sollte. Dazu zählte neben Avionik-Upgrades und dem Einbau neuer Carbon-Bremsen vor allem ein Austausch des zentralen Flügelkastens. 2020 nahm die RAF die erste aufgefrischte Super Hercules entgegen. Wie viele weitere Exemplare bis dato in den Genuss der Frischzellenkur gelangten, ist unklar. Jedoch könnte Marshall Aerospace das Programm bei Bedarf auch für künftige Kunden weiterführen. Ebenfalls sind individuelle Anpassungen denkbar. So wurden die für Bangladesch bestimmten C-130J einst nachträglich mit MedEvac-Rüstsätzen versehen, um sie als fliegende Intensivstation nutzen zu können.

Britische C-130J für Österreich?
Zum möglichen Kundenkreis für die letzten britischen Super Hercules dürften vor allem Staaten zählen, die bereits ältere C-130-Versionen betreiben und ihre Flotte zeitnah und kostengünstig mit dem neueren Modell modernisieren möchten. So soll etwa bereits das österreichische Bundesheer Interesse angemeldet haben. Die Österreicher betreiben gegenwärtig drei C-130K, die einst ebenfalls gebraucht aus Großbritannien in die Alpenrepublik kamen.
Modernste Hercules-Version
Die C-130J Super Hercules ist die mit Abstand fortschrittlichste Variante des US-amerikanischen Transporter-Dauerbrenners. Sie besitzt neue, leistungsstärkere AE2100D3-Triebwerke von Rolls-Royce (ehemals Allison) mit FADEC und Sechsblatt-Propellern. Ein Glascockpit und Head-up-Displays für beide Piloten sind Standard. Darüber hinaus punktet die C-130J, die erstmals am 5. April 1996 abhob, mit höherer Reichweite und einer auf 650 km/h gesteigerten Höchstgeschwindigkeit. Die RAF war einst Erstkunde für die Super Hercules und übernahm ihre erste C-130J, mit drei Jahren Verspätung, Ende November 1999. Bei den 14 noch in RAF-Diensten stehenden Maschinen handelt es sich um 13 Exemplare der gestreckten Variante C-130J-30 (RAF-Bezeichnung C4) sowie eine C-130J mit kürzerem Rumpf (C5).