Noch immer gibt es keinen offiziellen Bericht zu den Faktoren, die am Vormittag des 17. August 2021 nahe des Fliegerhorsts Kubinka zum Absturz der ersten – und bis heute einzigen flugfähigen – Iljuschin Il-112W führten. Beide Testpiloten und ein Ingenieur an Bord kamen bei dem Crash ums Leben, der von einem Anwohner des Flugplatzes auf Video festgehalten wurde. Nicht zuletzt diese Aufnahmen nährten von Beginn an den Verdacht, dass ein technischer Defekt infolge konstruktiver Mängel zu dem tödlichen Verlust des Flugzeugs und seiner Besatzung führte. Vor allem das Turboprop-Triebwerk TW7-117ST von Klimow und dessen Peripherie im Flugzeug standen dabei im Fokus: Einer der beiden Klimow-Motoren der Il-112W hatte im Flug plötzlich Feuer gefangen. Der Crew war es danach nicht gelungen, den Prototypen unter Kontrolle zu halten und notzulanden. Der Brand, der sich nicht löschen ließ, habe zu einem "strukturellen Zusammenbruch" des rechten Querruders geführt, wie die Zeitung Kommersant im September aus internen Aussagen der mit dem Unfall betrauten Ermittler zitierte.
Zwei Prototypen in der Endmontage
Kenner der russischen Luftfahrtindustrie geißelten schon damals eklatante Konstruktionsfehler an Flugzeug und Motoren – und kritisierten die übetriebene Eile, mit der das Projekt seitens der Politik vorangetrieben worden sei. Der Entwurf der Il-112W bedürfe dringend einer Überarbeitung, so ihr Tenor. Offenbar lagen sie damit richtig: Wie die Nachrichtenagentur RIA Novosti heute meldet, setzt die Flugzeugbau-Holding UAC, zu der Iljuschin gehört, die Arbeiten an der Il-112W bis auf Weiteres aus. Der Bau der beiden neuen Prototypen bei WASO in Woronesch ist unterbrochen. "Am 9. Februar wurde beschlossen, die Arbeiten im Rahmen des Staatsvertrags auszusetzen, der die Schaffung des leichten Militärtransportflugzeugs Il-112W vorsieht", zitiert RIA eine Industriequelle. Die Pause solle solange andauern, bis die Unfallermittler ihren Abschlussbericht zum Absturz von Kubinka veröffentlichen. Die Entscheidung, wann der Bau der Prototypen weitergehe, würden dann "vom staatlichen Auftraggeber auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse" getroffen, so die Quelle weiter. Nach dem Verlust des ersten Testflugzeugs existiert gegenwärtig nur ein weiteres Exemplar der Il-112W, das jedoch für statische Tests eingeplant ist.

"Zusätzliche Arbeiten" an Triebwerk und Zelle
Ein zweiter Insider erklärte gegenüber RIA Novosti, die Ergebnisse der Unfalluntersuchung könnten zusätzliche Arbeiten "sowohl am Triebwerk als auch an der Flugzeugzelle" erforderlich machen. "Um keine Doppelarbeit zu leisten, keine zusätzlichen Mittel auszugeben und keine Voraussetzungen zu schaffen, um die Fristen für vertragliche Verpflichtungen zu stören, wurde das Projekt (...) auf Eis gelegt". Damit gehe man zugleich etwaigen Ansprüchen rechtlicher und finanzieller Natur aus dem Weg, die sonst aufgrund der Verzögerungen womöglich aufs Tapet kämen. An der Il-112W selbst will man jedoch festhalten, wie der von RIA zitierte Gesprächspartner bestätigte: Nach Abschluss der Ermittlungen werde "die Arbeit unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen fortgesetzt".

Heiß ersehnter Antonow-Nachfolger
Russlands Luftwaffe benötigt die Il-112W eigentlich dringend als Ersatz für ihre veralteten Antonow An-26. Das neue Muster sollte die Antonows planmäßig ab 2023 schrittweise ersetzen. Allerdings sieht es so aus, als müssten die Sowjet-Turboprops noch ein paar Jahre länger durchhalten als vorgesehen. Die Luftwaffe überlegt deshalb bereits, diverse Aufgaben, für die die Il-112W eingeplant ist, auch an die Riesenhubschrauber Mil Mi-26 zu delegieren.