Der Paukenschlag kam am Freitag, dem 21. März: US-Präsident Donald Trump verkündete in einer Ansprache im Weißen Haus den Sieger im Wettbewerb für das künftige Kampfflugzeug der US Air Force. Der Auftrag für die Entwicklung und Bau des F-22-Nachfolgers im NGAD-Programm (Next Generation Air Dominance) geht an Boeing.
Die nun als F-47 bezeichnete Maschine setzte sich gegen einen Entwurf von Lockheed Martin durch. Northrop Grumman hatte sich bereits im Juli 2023 zurückgezogen, um sich auf andere Projekte zu konzentrieren. In seiner Ansprache sagte Trump: "Aufgrund meiner Anweisung fährt die US Air Force mit dem ersten Kampfflugzeug der sechsten Generation fort. Nach einem harten und gründlichen Wettbewerb wird die Air Force den Auftrag für die Plattform der nächsten Generation der Luftverteidigung an Boeing vergeben." Das Projekt befände sich schon seit längerer Zeit in Arbeit. Das Pentagon hatte das Projekt im Mai 2024 zeitweise auf Eis gelegt, um die Anforderungen an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen.
Angriffsrolle geplant
Laut USAF sei die Entscheidung das Ergebnis eines fairen und gründlichen Auswahlverfahrens. Die NGAD-Plattform sei "die leistungsfähigste und kosteneffizienteste Lösung zur Aufrechterhaltung der Luftüberlegenheit in einem zunehmend komplexen und umkämpften globalen Bedrohungsumfeld". Im Gegensatz zur rein als Abfangjäger genutzten F-22 Raptor soll die F-47 auch zu Langstrecken-Angriffsmissionen zum Einsatz kommen.
"Kronjuwel" im Arsenal
Das neue Muster bekommt Stealth-Eigenschaften der nächsten Generation, miteinander integrierte Sensoren und die Fähigkeit, mit unbemannten Kampfflugzeugen zu operieren. Diese entstehen derzeit im Collaborative-Combat-Aircraft-Programm, das ebenfalls zu NGAD gehört. Aufgrund eines modularen Designs sei die F-47 auch in der Zukunft an neue Technologien anpassungsfähig, und zwar für Jahrzehnte.
Testflugzeuge erprobt
In den letzten fünf Jahren haben die USAF und die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) nach eigenen Angaben mehrere Versuchsflugzeuge erprobt, vermutlich jeweils ein Kandidat von Boeing und Lockheed Martin. Diese hätten "Hunderte" von Flugstunden absolviert. Dabei standen neben der Verfeinerung von Einsatzverfahren die Tests von neuen Stealth-Maßnahmen, Mitteln zur Reichweiten-Verlängerung und autonomen Systemen im Mittelpunkt. Nach Informationen der DARPA flog eine erste Maschine bereits im Jahr 2019, eine zweite folgte dann 2022. Ob es auch einen dritten Typ von Northrop Grumman gab, ist nicht bekannt.
Prototypen bestellt
Der nun geschlossene Vertrag beinhaltet die Entwicklung sowie die Test- und Erprobungsphase der F-47. Auch eine "kleine Zahl von Testflugzeugen zur Bewertung" ist eingeschlossen. Über den genauen Zeitplan gab die USAF keine Auskunft. Jedoch bestätigte USAF-Chef General David Allvin, dass sein neues Flaggschiff noch während der Präsidentschaft von Trump fliege – diese endet im Januar 2029. Wie schon bei der Northrop Grumman B-21 Raider sollen die neuesten digitalen Entwicklungswerkszeuge im Gegensatz zu den vorigen Jägern für schnelle Fortschritte sorgen.
Vergleich mit F-22
Im Gegensatz zur Raptor verfügt die F-47 über eine größere Reichweite und ist Mehrrollen-fähig, zumindest der Mitteilung von General Allvin zufolge. Gleichzeitig sollen die Kosten sinken und so höhere Stückzahlen ermöglichen. Auch die Einsatzverfügbarkeit steige. Laut Trump soll der Jet auch an verbündete Nationen verkauft werden, in einer "um zehn Prozent abgeschwächten Version".

Die F-47 soll besser und vor allem billiger und flexibler als die F-22 werden.
Wettbewerb beim Antrieb
Beim Triebwerk für die F-47 liefern sich wie schon bei der F-35 GE Aerospace und Pratt & Whitney einen Wettkampf. Im Januar 2025 hatten beide Unternehmen jeweils einen Auftrag zur Fortführung des NGAP-Programms (Next Generation Adaptive Propulsion) erhalten, jeweils in der Höhe von 3,5 Milliarden Dollar. In der bis 2032 datierten Phase sollen Prototypen der Aggregate gebaut und erprobt werden. GE hat die detaillierte Entwicklungsprüfung für den XA102-Demonstrator im Februar abgeschlossen, der über einen variablen Zyklus verfügt. Hier wird der Kreisprozess im Triebwerk an die jeweiligen Betriebsanforderungen angepasst: hohe Schubkraft im Luftkampf oder optimierter Wirkungsgrad für Langstreckenflüge. Pratt & Whitney plant den Erstlauf des XA103 in den kommenden Jahren. Auch hier erfolgte das Detailed Design Review im Februar.
Hohe Geheimhaltung
Ebenfalls wie bei der B-21 zeichnet sich das Programm durch eine strenge Geheimhaltung aus. Die offizielle Mitteilung von Boeing sagt beispielsweise nur, dass das Unternehmen den Auftrag des nächsten Jägers erhalten habe, noch nicht einmal die Bezeichnung. Alles Weitere sei geheim, heißt es. Bisher veröffentlichte die USAF nur zwei Grafiken der F-47, die nicht allzu viele Details offenbaren. Allerdings erinnert die nach oben abgewinkelte Flügelanordnung an den YF-118G-Demonstrator. Boeing hatte das aufgrund seiner Ähnlichkeit zu dem gleichnamigen klingonischen Raumschiff aus Star Trek auch Bird of Prey genannte Vehikel in den 90er Jahren entwickelt. Von 1996 bis 1999 führte der Jet 38 Flüge durch, bei denen er unter anderem Steuerflächen ohne Spalten erprobte.

In den 90er Jahren hatte Boeing die Bird of Prey entwickelt.
Schock für Lockheed
Für Lockheed als traditioneller Kampfjet-Lieferanten der USAF ist die Entscheidung ein schwerer Rückschlag. Nach F-16, F-22 und F-35 droht die Erfolgsserie abzureißen. Auch beim künftigen Kampfflugzeug der US Navy scheint es schlecht auszusehen. Laut US-Medienberichten soll das Unternehmen im F/A-XX-Wettbewerb ausgeschieden sein. Für Boeing bedeutet der NGAD-Sieg jedoch die Sicherung der Kampfflugzeugsparte, die nach dem Ende der Super-Hornet-Fertigung nur noch aus der F-15EX Eagle besteht.