Die Euphorie scheint bei den Mitarbeitern des Defiant X-Projekts zum Dauerzustand zu gehören. Drei Jahre ist es nun her, dass der Testträger SB>1 Defiant in West Palm Beach, Florida, zum Erstflug startete. In der Folgezeit erflog sich der Super-Hubschrauber von Sikorsky und Boeing nach und nach immer weitere Meilensteine – vom Highspeed-Flug bis zu Tiefflug-Manövern im Gelände. Doch das alles verblasst vor dem Hintergrund des ersten Langstreckenfluges, den der Zukunftshelikopter vor Kurzem absolvierte. Zumindest, wenn man den Worten von Boeing-Testpilot Ed Henderscheid Glauben schenkt. Der wertete die 1.300-Kilometer-Reise am 31. März als "Höhepunkt von drei Jahren harter Arbeit an diesem Programm."
"Die Zukunft der Heeresfliegerei"
Henderscheid muss es wissen, saß er während des Überführungsflugs von West Palm Beach nach Nashville in Tennessee doch selbst am Steuer des Defiant-Testträgers. Die Arbeit im Cockpit teilte er sich mit seinem Sikorsky-Kollegen Bill Fell. Der Prototyp habe sich während des Fluges einwandfrei verhalten und den errechneten Kraftstoffverbrauch sogar noch unterboten, fasste Henderscheid anschließend zusammen. Unterwegs habe man lediglich 50 Prozent der Motorleistung und des maximal möglichen Drehmoments genutzt, so der Testpilot weiter. "Diese Maschine hat noch viel mehr zu bieten. Das ist die Zukunft der Heeresfliegerei!"
Der Flugschrauber Defiant-X wird von Boeing und Sikorsky gemeinsam entwickelt und tritt im Finale des FLRAA-Wettbewerbs um einen Nachfolger für die UH-60 Black Hawk gegen das Kipprotorflugzeug V-280 Valor von Bell an. In Nashville präsentieren die Projektpartner ihren Prototypen erstmals beim Jahresgipfel der Aviation Association of America. "Piloten der Army werden dort sehen können, wie das Team Defiant die Zukunft des Hubschraubers revolutioniert", kommentiert die Sikorsky-Konzernmutter Lockheed Martin den Hintergrund der Reise in einer Pressemitteilung.

Zum ersten Mal außerhalb Floridas
Es war das erste Mal, dass die Defiant die Staatsgrenzen Floridas hinter sich ließ. Der "monumentale Flug" beweise einerseits die Reife des Defiant-Designs und zeige außerdem, dass "es bereit ist, die zukünftigen Langstrecken-Angriffsmissionen der Armee zu unterstützen", so der für die Helikoptersparte zuständige Boeing-Manager Mark Cherry. Sikorsky-Chef Paul Lemmo pries den Flugschrauber, der für zusätzlichen Vortrieb einen Druckpropeller am Heck besitzt, derweil als "ganzheitliches Waffensystem", das den US-Soldaten auf dem Schlachtfeld des 21. Jahrhunderts "einen strategischen Vorteil" verschaffe.
Ob die Defiant X tatsächlich Gelegenheit dazu haben wird, ist aber längst nicht sicher. Voraussichtlich noch in diesem Jahr wird die US Army verkünden, welchem Entwurf sie den Vorzug geben will – und ob der Erbe des legendären Black Hawk-Helikopters ein Flugschrauber oder ein Kipprotorflugzeug sein wird.