Kaum ein Tag vergeht derzeit, ohne dass aus Russland neue Ideen zum Umbau der heimischen Airliner-Flotten zu vernehmen sind. Dabei geht es natürlich vorrangig um neue Jets aus russischen Fabriken, wie die Irkut MS-21, den Suchoi Superjet sowie die schon etwas betagte Tupolew Tu-214. Deren Produktion soll möglichst schnell hochlaufen, um bis 2030 möglichst viele westliche Kurz- und Mittelstreckenjets aus dem Inventar der russischen Fluglinien verbannen zu können. Gleichwohl sind die Kapazitäten der Flugzeugindustrie in Russland allerdings begrenzt, das mit viel Knowhow aus dem Ausland konzipierte Leuchtturmprojekt MS-21 durch die westlichen Sanktionen um Jahre zurückgeworfen. Deshalb sollen ergänzend zu den Neuflugzeugen auch alte, bereits stillgelegte Jets eine neue Chance erhalten.

Vorschlag der Regierung
Bereits im Mai hatten russische Medien über die Pläne der privat geführten Utair berichtet, die offenbar mehrere abgestellte Jakowlew Jak-40 und Jak-42 reaktivieren möchte. Ob das tatsächlich geschieht, bleibt abzuwarten, allerdings gibt es nun auch erstmals einen ähnlichen Vorschlag seitens der russischen Regierung, der sich ebenfalls mit der Wiederbelebung älterer, einheimischer Airliner beschäftigt. So will das Ministerium für Industrie und Handel nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax 15,4 Milliarden Rubel (275 Millionen Euro) in die Hand nehmen, um insgesamt elf in Russland schlummernden Gebrauchtflugzeugen neues Leben einzuhauchen. Nach Interfax-Angaben geht es dabei konkret um acht Mittelstreckenjets Tu-204/214, zwei Langstrecken-Vierstrahler Iljuschin Il-96 sowie einen Großfrachter Antonow An-124. Sie alle sollen mit dem bereitgestellten Geld "in den kommerziellen Betrieb" zurückkehren.

Neue und Gebrauchte
Finanzieren will Russlands Regierung das Unterfangen durch die Umverteilung von Haushaltsmitteln. Ein Teil des Betrags sei für die "Modernisierung von Systemen und Baugruppen der Tu-214 mit anschließender Genehmigung der veränderten Musterzulassung für das Flugzeug" vorgesehen, zitiert Interfax einen namentlich nicht genannten Insider. Da Russlands Regierung plant, die derzeit auf kleinster Flamme laufende Produktion neuer Tu-214 auf zehn Einheiten pro Jahr hochzufahren und so bis 2030 insgesamt 70 neue Exemplare zu bauen, würde die Reaktivierung acht weiterer Tu-204/214 fast die Menge einer ganzen Jahresproduktion bedeuten. Ähnliches gilt für die Il-96, deren Fertigungsrate absehbar jährlich zwei bis drei Flugzeuge betragen soll.
Woher kommt die An-124?
Interessant ist auch der Plan zur Restaurierung einer An-124, deren einziger kommerzieller Betreiber in Russland die Volga-Dnepr-Gruppe ist. Deren An-124-Flotte ist durch die Sanktionen des Westens allerdings ziemlich dezimiert, da drei in Leipzig und eine in Toronto parkende Maschine von den örtlichen Behörden gemäß eines ukrainischen Gerichtsbeschlusses an die Kette gelegt wurden. Ob, und wenn ja, wann die Riesenfrachter nach Russland zurückkehren können, ist unklar.
Bei der in den Regierungsplänen erwähnten An-124 könnte es sich um die Ende 2020 in Nowosibirsk verunfallte RA-82042 handeln, die seit ihrer Notlandung auf dem Flughafen Tomaltschowo dort auf Reparatur oder Verschrottung wartet. Bestätigt ist das selbstverständlich nicht. Auch wo die restlichen zehn Flugzeuge genau herkommen sollen, ist nicht bekannt. Möglichkeiten scheint es jedoch genügend zu geben. Gemäß der Datenbank russianplanes.net sind derzeit allein zehn Il-96 in Russland eingemottet. Von der in etwas größerer Stückzahl produzierten Tu-204 und ihrem Derivat Tu-214 sollen es sogar mehr als 20 sein.