Dieser Mann ist eine lebende Legende – nicht nur in Luftfahrtkreisen. Jahrelang flog Dmytro Antonow als Chefpilot von Antonov Airlines die riesige An-225 "Mrija" in fast alle Winkel der Welt. Als Russland Ende Februar 2022 die Ukraine angriff, wäre er mit dem sechsstrahligen Einzelstück beinahe kurz davor vom Werksflugplatz Kiew-Hostomel entkommen. Doch dann kam alles anders, die Russen nahmen Hostomel ein, es tobten heftige Gefechte um den Airport. Und als die russischen Truppen Ende März aus der Region Kiew abzogen, stand Dmytro Antonow wenig später fassungslos vor den verkohlten Resten des in Trümmern liegenden Riesenflugzeugs.
Als erster Zivilist überhaupt konnte Antonow am 1. April 2022 das Gelände des Flughafens betreten, der jahrzehntelang sein dienstliches Zuhause war. "Es war absolut gespenstisch, alles war kaputt", erinnert er sich an diesen einschneidenden Tag. "Auf dem Flugplatz war keine Menschenseele, es war unheimlich ruhig, nur zwei streunende Hunde sind herumgelaufen." Dass "seine" An-225 – genau wie einige weitere seltene Antonow-Flugzeuge – dem Krieg zum Opfer gefallen war, habe er lange nicht glauben können, sagt er. Bis er am 1. April schließlich selbst vor Ort der traurigen Wahrheit ins Auge blicken musste.

Die Fotoausstellung "Light and Shadow", die nun in der Flugwerft Oberschleißheim zu sehen ist, beleuchtet die erfolgreichen Jahre der An-225 "Mrija" und ihre Zerstörung Ende Februar 2022.
Antonow: Licht und Schatten
Mehr als drei Jahre später, am 17. Juli 2025, steht Dmytro Antonow zusammen mit seiner Frau und dem ukrainischen Konsul Roman Buhlak in einem Nebenraum der Flugwerft Oberschleißheim bei München und eröffnet dort die Fotoausstellung "Light and Shadow", die die Karriere der An-225 "Mrija" im Dienst für Antonov Airlines beleuchtet – und auch ihr tragisches Ende in den ersten Tagen des Ukraine-Krieges. Doch statt sich allein an der Vergangenheit entlangzuhangeln, blickt der Antonow-Chefpilot auch in die Zukunft: "Wir werden eine zweite 'Mrija' bauen", sagt er überzeugt. "Ich glaube daran, dass das möglich ist."
Was für die zweite An-225 spricht
Nun denn, der Glaube kann bekanntlich ja Berge versetzen – und wer möchte schon einer lebenden Luftfahrtlegende widersprechen? Aber vom Glauben allein entsteht kein Flugzeug, wie groß oder klein es auch sein mag. Deshalb steht Dmytro Antonow nach seiner Ansprache dem skeptischen FLUG REVUE-Redakteur noch einmal Rede und Antwort zu diesem Thema. Was macht ihn denn so sicher, dass das mit der zweiten An-225 klappt? Wie soll das gehen? Und welchen ökonomischen Sinn hätte der Aufbau eines solchen neuen Riesenflugzeugs überhaupt, wenn es doch seiner Größe wegen ohnehin nur auf ausgewählten Flughäfen landen kann?
"Es gibt tatsächlich nur einen einzigen Grund, warum wir über den Aufbau einer zweiten 'Mrija' sprechen", unterstreicht Antonow. "Nur weil wir noch einen Rumpf und ein Tragflächenpaar für ein zweites Flugzeug haben, ist das überhaupt eine Option." Diese Komponenten seien nach wie vor im Antonow-Hauptwerk Kiew-Swjatoschyn eingelagert – und seines Wissens trotz russischer Angriffe auf dieses Werk immer noch unversehrt. Fehlende Strukturteile wie etwa das Leitwerk könne Antonow problemlos selbst herstellen oder aus dem Wrack der zerstörten An-225 entnehmen. Natürlich benötige man auch Hilfe von externer Seite, etwa für die Avionik. "Aber ich bin wirklich überzeugt, dass wir das schaffen können und dass es dafür ein Interesse gibt." Schließlich könne aus einem solchen Projekt, zum Beispiel mithilfe von Airbus, auch eines Tages ein Nachfolger für die anhaltend stark nachgefragten An-124 entstehen, deren Lebenszeit ebenfalls nicht unendlich ist.

Rumpf und Tragflächen einer zweiten An-225 "Mrija" lagern seit den 90er-Jahren im Antonow-Werk Kiew-Swjatoschyn.
"Mrija" wird gebraucht
"Aber ein so riesiges Flugzeug wie die An-225 wird genauso gebraucht, das haben wir vor allem in den letzten zweieinhalb Jahren bis zum Kriegsausbruch gesehen", betont Dmytro Antonow. "Die alte 'Mrija' hat insgesamt seit ihrem Erstflug Ende 1988 nur etwa 5.000 Stunden abgeflogen, das ist wirklich nicht viel. Aber fast ein Drittel davon, um die 1.500 Stunden, haben wir allein zwischen 2019 und 2022 absolviert. Vor allem während Covid hat dieses Flugzeug der ganzen Welt enorm geholfen." Es gebe also durchaus eine Notwendigkeit für ein Flugzeug dieser Größe, über die reine Symbolkraft für den Wiederaufbau der Ukraine hinaus. Mit den Arbeiten an der zweiten An-225 begonnen habe man aber in der Ukraine noch nicht. "Es ist ja immer noch Krieg, und es gibt regelmäßig Angriffe auf Kiew. Aber wenn der Krieg einmal vorbei ist, gehen wir es an – ich werde nicht aufhören, daran zu glauben."
Sagt's und schiebt beim Händedruck zum Abschied entschlossen hinterher: "'Mrija' bedeutet 'Traum' – man kann diesen Traum nicht zerstören."