Die Gesamtverantwortung für das Unternehmen zu haben, für Gewinn und Verlust, für das Seriengeschäft und den Upgrade-Markt, den Vertrieb und die Produktionsstätten, das ist für mich persönlich der spannendste Schritt. Das hatte ich vorher nicht.
Im Moment geht es darum, die operative Performance zu stabilisieren. Die Lieferketten in der Luftfahrt sind aktuell nicht sehr stabil. Es gibt Material-Knappheit, man jagt vielen Teilen hinterher und hat mit der Preissteigerung zu kämpfen. Das beschäftigt uns massiv. Das Zweite ist die strategische Ausrichtung, das ganze Thema Wettbewerbsfähigkeit. Es ist ein immerwährender Kampf, günstiger zu werden, Innovation zu treiben, zu schauen, wo liegen die großen Trends und sich daran auch auszurichten.
Es ist nicht so, dass wir zum ersten Mal auf über 60 gehen, da war die Industrie ja schon mal. Unsere Produktionssysteme sind so ausgelegt, dass wir die hohen Raten können. Themen sind allerdings die Ressourcen- und Materialverfügbarkeit. Wir müssen Personal einstellen und trainieren. Die Lieferkette nachzuziehen und zu stabilisieren, ist die größte Herausforderung des Ramp-ups.
Mit unserem Kunden Airbus erwirtschaften wir den Löwenanteil unseres Umsatzes, was aber auch historisch bedingt ist. So war beispielsweise unser größter Standort in Laupheim bis zur Übernahme durch Diehl ein Airbus-Werk. Dennoch ist Airbus natürlich nicht unser einziger Kunde. Die A320-Familie hält am Umsatz mit Airbus aufgrund ihrer hohen Rate natürlich einen entsprechend hohen Anteil.
Es ist auf alle Fälle ein Vorteil. Durch unsere Produktvielfalt sind wir in der Lage, einzelne oder integrierte Arbeitspakete anzubieten. Dadurch beherrschen wir die individuelle Anpassung an Kundenwünsche sehr gut. Das ist eines unserer differenzierenden Merkmale.
Vom grundsätzlichen Portfolio her sind wir sehr komplett. Küchen in einem Serienprogramm und die sogenannten GAINS, die Galley Inserts, also Backöfen, Mikrowellen, Kühlschränke, wären grundsätzlich etwas, was man sich strategisch überlegen kann. Das haben wir heute aber nicht als Ambition formuliert. Für uns ist es viel wichtiger, in anderen Märkten zu wachsen. Also uns bei unseren Kunden Boeing und Embraer noch mit ein paar Arbeitspaketen zu empfehlen, vielleicht noch bei dem einen oder anderen eVTOL-Hersteller.
Es lohnt sich ein Blick auf die großen Kabinentrends Nachhaltigkeit und vernetzte Kabine. Die Digitalisierung der Kabine wird mehr und mehr ausgebaut. Da haben wir viel Kompetenz über unseren Frankfurter Standort und unser Kabinenmanagementsystem. Beim Thema Nachhaltigkeit geht es vor allem um neue Materialien wie Thermoplasten, die recyclebar sind. Wir leisten als Leichtbauspezialist heute einen wichtigen Beitrag zur Gewichtsreduktion des Flugzeugs und wollen das steigern. Unser Greywater-Reuse-System, das einen Teil des Wassers, das zum Händewaschen genutzt wurde, für die Toilettenspülung verwendet, spart zum Beispiel 250 Kilogramm ein. Ebenfalls ein Wachstumsmarkt sind eVTOLS. Wir sind bei Lilium, Volocopter und Airbus auf den Produkten, helfen, diese zu entwickeln. Und ganz generell ist Amerika für uns ein Markt, auf dem wir gerne wachsen würden.
Unsere Steuerungsrechner, die wir jetzt entwickeln, sind deutlich integrierter, kleiner und leistungsfähiger – haben also viel mehr Funktionalität. Das lässt sich dann wieder auf ein großes Flugzeug übertragen, weil die Rechnereinheiten skalierbar sind. Ebenso sammeln wir im Leichtbau neue Erkenntnisse, denn der spielt bei den eVTOLs noch eine viel stärkere Rolle.
Das Zauberwort heißt Kollaboration zwischen Lieferant und OEM. Nachhaltigkeit kann man nur gemeinsam erreichen. Das ist so ein großes Thema, so ein teures und auch komplexes Thema, dass man am besten sehr früh an einem Strang zieht. Und es gibt ja auch gemeinsame Forschungsprojekte und Programme, in deren Rahmen wir zusammenarbeiten.
Diehl Aviation beteiligt sich an einer Vielzahl von Luftfahrtforschungsprogrammen mit dem Fokus auf mehr Öko-Effizienz. Dazu gehören auf europäischer Ebene etwa Clean Sky 2 und Clean Aviation. Als Leichtbauspezialist sind wir auch in der Materialforschung aktiv, etwa im LuFo-Programm KONKAV, RECAB und iLEASE. Im LuFo-Projekt i+sCabin2.0 tragen wir zur Vernetzung und Digitalisierung der Kabine bei. Das bringt deutliche Optimierungen mit sich, die sich auch auf eine bessere Öko-Effizienz auswirken. Mit Blick auf Wasserstofftechnologien und das elektrische Fliegen sind wir unter anderem an den Forschungsprojekten TEWES, SKAiB und dem Forschungsflieger 328H2-FC beteiligt.
Durch die dramatische Situation der Luftfahrtkrise mussten wir unsere Belegschaft in Deutschland um etwa 25 Prozent reduzieren. Wir haben das sozialverträglich mit einem umfangreichen Freiwilligenprogramm erreicht – ohne Kündigungen. Uns ist es dadurch gelungen, alle unsere Standorte zu erhalten. Heute haben wir rund 4.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wir sind wieder auf der Suche nach neuen Kolleginnen und Kollegen: Mehr als 130 interessante Stellen sind momentan ausgeschrieben.
Fachkräfte-Mangel ist ein Thema. Wir arbeiten intensiv an Recruitment-Strategien, aber auch an einer Maßnahmen, um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten. Wir wollen schließlich nicht, dass die Leute abwandern. Es ist nicht so einfach, gutes Personal zu kriegen. Es dauert teilweise sehr lange, bis sie die richtige Fachkraft haben. Da geht es uns nicht anders, als dem Rest der Branche. Diehl Aviation hat als etablierter Technologieführer einiges zu bieten.
Es gibt nach wie vor viele junge Leute, die sich für die Luftfahrt interessieren, aber eben auch für andere Branchen. Das ganze Thema nachhaltiges Fliegen ist ein wesentlicher Baustein, um Arbeitskräfte akquirieren zu können. Es ist wichtig, dafür auch Werbung zu machen und aufzuklären, dass wir als Branche massiv daran arbeiten, sauberes Fliegen zu ermöglichen. Das ist auch das Interessante und Attraktive für junge Leute, bei uns anzufangen. Unsere Branche befindet sich in einem umfassenden Wandel und ich kann Ihnen sagen, es ist unglaublich spannend, diesen mitzugestalten. Und das macht auch einen beruflichen Einstieg in der Luftfahrt für junge Leute so interessant.