Den Ehrgeiz und die guten Ideen konnte man der post-sowjetischen Luftfahrtindustrie nie absprechen. Allein, es haperte an Möglichkeiten, die Ideen auch in die Tat umzusetzen – und sie zum Erfolg zu führen. Das ist zum großen Teil noch heute so, wie etwa die Probleme mit dem Regional-Airliner Suchoi Superjet beweisen. Doch mit der Irkut MS-21 wittert Russland wieder Morgenluft: Der neue Jet in A320-Größe soll endlich den erhofften Durchbruch bringen und wenigstens auf dem Heimatmarkt die Dominanz der westlichen Hersteller brechen helfen.
Eine Familie namens MS-21
Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Die MS-21 ist technisch auf der Höhe der Zeit, die Zulassung des Grundmodells MS-21-300 beinahe geschafft, aus dem Dilemma mit dem Superjet scheint man gelernt zu haben. Auch das erste russisch motorisierte Exemplar ist flügge, wird gerade in Uljanowsk lackiert und soll Ende Juli beim Aviasalon MAKS in Schukowski auftreten. Es läuft also, mehr oder weniger. Die United Aircraft Corporation (UAC), Russlands staatliche Flugzeugbau-Holding, schmiedet deshalb bereits Pläne für eine ganze Familie von Flugzeugen, die aus der MS-21 entstehen sollen. Das umfasst zum einen eine gestreckte Version MS-21-400 für bis zu 260 Passagiere und den gekürzten Ableger MS-21-200. Beide waren schon bei Projektbeginn angedacht. Irkut-Generaldirektor Chakimow will vor allem die MS-21-400 schnell angehen, sobald die MS-21-300 im nächsten Jahr in Dienst geht.
Fit für die Langstrecke?
Zum anderen haben die Russen auch Pläne für eine Langstreckenversion MS-21X in der Schublade – ein Gegenstück also zur A321XLR von Airbus. Bei der Resonanz, die Airbus seinem Langstrecken-Schmalrumpfjet auslöste, könnte auch diese Variante in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen. Laut Michail Kuryansky, Leiter des Projekts "Flugzeuge 2020" bei UAC, soll die MS-21X sogar noch weiter fliegen als der Kilometerfresser aus dem Westen: Zwischen 9.000 und 10.000 Kilometer peilt der UAC-Mann für die MS-21X an – genug, um Russland, das größte Land der Erde, von West nach Ost zu überbrücken. Zum Vergleich: die A321XLR soll, dank zusätzlichem Rumpftank, für maximal 8.700 Kilometer Strecke gut sein.

Ein echtes Schwergewicht
Gegenüber der mit 6.000 Kilometern angegebenen Reichweite der MS-21-300 wären die für die MS-21X genannten Daten eine enorme Steigerung. Wie diese im Detail erreicht werden soll, erwähnt Kuryansky nicht. Allerdings soll ihm zufolge das Startgewicht, das für die MS-21-300 gut 79 Tonnen beträgt, bei der MS-21-400 auf 105 und bei der MS-21X auf bis zu 155 Tonnen ansteigen. Damit einher geht die Entwicklung schubstärkerer Triebwerke, die aus dem russischen Basisantrieb PD-14 von Awiadwigatel abgeleitet werden.
Wie realistisch diese Gedankenspiele letztlich sind, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Fürchterlich eilig haben es die Russen nicht: Der im Projekt "Flugzeuge 2020" abgesteckte Zeithorizont zur Entwicklung neuer MS-21-Derivate reicht bis zum Jahr 2035.