Russen ärgern sich über "entflohene" ukrainische Antonow An-124: "Ziel verfehlt!"

Antonow-Flucht aus Kiew nach Leipzig
Russen ärgern sich über entwischte ukrainische An-124

Veröffentlicht am 15.07.2025

Dieser Coup ist den Ukrainern gelungen – haben sie doch, wie es aussieht, auch die Russen überrumpelt: Am Nachmittag des 11. Juli, um 14:38 Uhr Ortszeit, landete auf dem Flughafen Leipzig-Halle die Antonow An-124 mit dem Kennzeichen UR-82073. Das Flugzeug gehört zur Flotte der Antonow-Werksfluggesellschaft Antonov Airlines, die Leipzig seit ihrer erzwungenen Flucht vom zerstörten Kiewer Flughafen Hostomel im Frühjahr 2022 als temporäre Basis nutzt. Was die Landung der UR-82073 in Deutschland aber so besonders macht: Dieses Flugzeug war seit dem 13. März 2021 wegen Wartungsarbeiten auf dem Gelände des Antonow-Hauptwerks Kiew-Swjatoschyn geparkt gewesen – und saß nach Russlands Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 jahrelang dort fest.

Der Luftraum über der Ukraine ist seit diesen Tagen im Februar 2022 für zivile Flüge geschlossen – und das gilt nach wie vor. Deshalb flog die An-124 am 11. Juli aus Swjatoschyn auch ohne Transpondersignal bis über die polnisch-ukrainische Grenze. Erst mit Eintritt in den polnischen Luftraum konnte man den Flugweg der UR-82073 nachverfolgen.

Antonow An-124 von Antonov Airlines in Aktion.
Patrick Zwerger

Hat Russland geschlafen?

Für Augenzeugen, die die Antonow kurz nach ihrem Start im Tiefflug über Kiew erblickten, war das riesige weiße Flugzeug offenbar eine ebenso große Überraschung wie für die russische Armee. Jedenfalls scheint man in Russland von der Flucht des ukrainischen Frachtflugzeugs nach Leipzig im Vorfeld nichts geahnt zu haben – was wiederum russische Kritiker und Beobachter des Kriegsgeschehens in der Ukraine auf die Palme brachte. Russland habe "das Ziel verfehlt" und es versäumt, die An-124 schon vorab am Boden zu zerstören oder spätestens nach ihrem Start in Kiew vom Himmel zu holen, so der Tenor. Nun erhalte man wohl die Quittung, weil Antonov Airlines das wiedergewonnene Flugzeug genau wie den Rest ihrer Flotte dazu nutzen werde, Waffen aus aller Welt ins polnische Rzeszów zu fliegen – dem zentralen Umschlagplatz für Waffenimporte in die Ukraine.

Der eng mit der russischen Luftwaffe vernetzte Telegram-Kanal "Fighterbomber" nannte die unbemerkte Evakuierung der An-124 aus Swjatoschyn einen "traurigen Vorfall, vor allem für unseren Geheimdienst". Die russischen Schlapphüte hätten schlichtweg geschlafen. "Das Traurige daran ist nicht, dass die An-124 angekommen ist, sondern dass sie unversehrt und unbeschadet abfliegen konnte", schreibt "Fighterbomber". Schließlich sei die Überwachung gegnerischer Flugplätze "die heilige Pflicht jedes Geheimdienstes." Russland verfüge außerdem über die Mittel, ein so großes Flugzeug wie die An-124 "auf jedem Flugplatz anzugreifen." Das mag sein, dazu müsste man aber erst wissen, dass es etwas anzugreifen gibt, möchte man hinzufügen.

Das Antonow-Werk in Swjatoschyn

In der Tat wirft die erfolgreiche "Rettungsaktion" der Ukrainer für die UR-82073 nicht das beste Licht auf Russlands Militär. Zum einen, weil die russische Luftwaffe in jüngerer Zeit mehrfach Angriffe gegen das Antonow-Werk Swjatoschyn flog, in dem nun Drohnen vom Typ An-196 gefertigt werden, das aber auch die unvollendete Zelle einer zweiten An-225 "Mrija" beherbergt. Bei den Attacken gelang es offenbar nicht, die dort (mutmaßlich) im Hangar geparkte An-124 in Mitleidenschaft zu ziehen, was wohl aber auch nicht das primäre Ziel war. Doch selbst die unmittelbare Vorbereitung der UR-82073 auf ihre Überführung, der womöglich sogar ein Testflug oder zumindest ein Rolltest vor Ort voranging, scheint den Russen entgangen zu sein. Dabei hätte die spätestens seit den ersten Juli-Tagen zeitweise im Freien geparkte An-124 ein leichtes Ziel für russische Marschflugkörper oder Kamikazedrohnen abgegeben.

Westliche Beobachter stellten in diesem Zusammenhang treffend fest, dass ein Flugzeug von der Größe einer An-124 am Himmel "die Radarsignatur eines kleinen Planeten" abstrahle, zudem langsam fliege und daher leicht zu verfolgen und prinzipiell auch einfach abzuschießen sei. Offenbar habe die russische Befehlskette für einen möglichen Abschuss aber nicht funktioniert.

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Eine verbesserte An-124

Zu allem Überfluss soll es sich bei der nach Leipzig überführten UR-82073, die ironischerweise vor gut 31 Jahren bei Aviastar-SP im russischen Uljanowsk gefertigt wurde, um eine ganz besondere An-124 handeln. Ukrainischen Quellen zufolge wurde der Vierstrahler während seines Aufenthalts in Swjatoschyn nämlich mit modernisierter Avionik und modifizierten Triebwerken versehen. Letztere verfügen nun wohl über zackenförmige Schubdüsen, sogenannte Chevron Nozzles, was besonders die Lärmemissionen reduzieren soll. Tatsächlich lassen sich auf Foto- und Videoaufnahmen, die die An-124 über Kiew sowie bei ihrer späteren Landung in Leipzig zeigen, die gezackten Triebwerksauslässe erkennen. Gerüchten zufolge soll die UR-82073 (auch) für die Zertifizierung ihrer Modifikationen nach Leipzig geflogen sein. Vermutlich wird sie zeitnah die reguläre Flotte von Antonov Airlines verstärken, die aktuell aus fünf An-124 besteht.