Russland baut „russifizierte“ MS-21 auf Halde: Passagierjet ohne westliche Teile

Passagierjet ohne westliche Teile
Russland baut „russifizierte“ MS-21 auf Halde

ArtikeldatumVeröffentlicht am 20.10.2025
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Die Flugerprobung läuft auf Hochtouren, auch wenn das wichtigste Testflugzeug noch fehlt: Zwei Jakowlew MS-21 nehmen aktuell am Zulassungsprogramm für die russifizierte Variante der Jakowlew MS-21 teil. Doch erst der dritte Prototyp der MS-21-310rus, so der offizielle Name des Prestigeprojekts, soll wirklich vollständig ohne westliche Komponenten auskommen. Die beiden schon aktiven Testmaschinen sind jeweils nur zum Teil auf einheimische Teile umgerüstet, sollen aber – im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten – das Programm schon einmal in die Spur bringen. Währenddessen scheint die russische Vollvesrion der MS-21 zwar soweit fertig zu sein, wie entsprechende Meldungen von Anfang August verhießen. Doch über die obligatorischen Bodentests ist die erste echte MS-21rus bis jetzt noch nicht hinausgekommen – obwohl man laut diversen Quellen eigentlich mit einem Erstflug noch im Spätsommer gerechnet hatte.

Woran das liegt, darüber schweigen sich die zustöndigen Stellen in Russland aus. Klar ist allerdings, dass man beim wichtigsten Projekt der russischen Zivilluftfahrt keine Schnellschüsse auf Kosten der Sicherheit riskieren möchte.

Zulassung bis spätestens Ende 2026

Jüngste Verlautbarungen lassen darauf schließen, dass der dritte Prototyp mit der Kennung 73057 Ende Oktober endlich ins Geschehen eingreifen könnte. Den, mehrfach angepassten, Zeitplan für die weitere Zukunft der MS-21 erklärt Russlands Staatskonzern Rostec indessen weiter für gültig. Er sieht vor, die erweiterte Musterzulassung für das auf links gekrempelte Passagierflugzeug bis Ende 2026 zu erreichen. Schon unmittelbar darauf, spätestens Anfang 2027, soll die Auslieferung der ersten Serienflugzeuge starten. Als erster Abnehmer ist weiter die Aeroflot-Tochter Rossija vorgesehen.

Erste rein russische Jakowlew MS-21-310 vor dem Erstflug.
UAC (OAK)

Die Serienfertigung läuft bereits

Wenngleich es – Zeitpläne hin oder her – bis dahin nach wie vor ein weiter Weg ist, scheint man bei Rostec den im Inland entwickelten Pendants zu den rund 60 zu ersetzenden Komponenten aus dem Westen mit ordentlich Vertrauensvorschuss zu begegnen. Denn parallel zu den Flugtests mit den Prototypen treiben die mit dem Projekt betrauten Rostec-Firmen, allen voran das Endmontagewerk in Irkutsk, die Produktion späterer Serienmaschinen voran. Um die 15 Exemplare befinden sich derzeit wohl im Bau – wenngleich in unterschiedlichen Fertigungsstadien. "Die Serienproduktion des neuen Flugzeugs ist bereits in vollem Gange, sodass wir die Flugzeuge nach Erhalt der Musterzulassung schnell an unsere Fluggesellschaften ausliefern können", betonte Wadim Badecha, Generaldirektor der Flugzeugbau-Holding und Rostec-Tochter UAC, in der vergangenen Woche am Rande eines Arbeitstreffens, an dem auch Vertreter der russischen Zivilluftfahrtagentur Rosawiazija und des russischen Industrie- und Handelsministeriums teilnahmen.

"Trotz aller Herausforderungen machen wir Fortschritte"

Ebenfalls in irkutsk anwesend war der Stellvertretende Sprecher des russischen Föderationsrats Andrej Jazkin, der – selbstredend nicht ohne Pathos – im Nachgang die spezielle Situation hervorhob, in der sich Russlands Zivilflugzeugbauer seit dem russischen Angriff auf die Ukraine Ende Februar 2022 und den darauf folgenden westlichen Sanktionen befinden: "Das Irkutsker Luftfahrtwerk und andere russische Hersteller stehen vor einer Herausforderung, die in der modernen globalen Luftfahrtindustrie beispiellos ist", so Jazkin. "Russland entwickelt und produziert bis zu 100 Prozent seiner Materialien, Komponenten, Technologien, Einheiten und Systeme unabhängig. Und wir sehen, dass wir trotz aller Herausforderungen stetige Fortschritte machen." Dimitri Jadrow, Leiter der Luftfahrtbehörde Rosawiazija, ergänzte, derzeit befänden sich für die MS-21rus noch "fünf letzte Subsystemkomponenten in der endgültigen Genehmigungsphase." Bei der Zertifizierung des Flugzeugs arbeite man eng mit der Industrie zusammen, so Jadrow weiter. Er sei zuversichtlich, dass man auf diese Weise "alle notwendigen Schritte zum Abschluss des Zulassungsprozesses" innerhalb der gesetzten Frist meistern könne.

Jakowlew MS-21-310, Erstflug mit russischen Komponenten-
UAC (OAK)

"Hightech-Produktionsanlage" für die MS-21rus

Parallel zu den Arbeiten am Flugzeug selbst laufen in Irkutsk offenbar auch Aus- und Umbau des Flugzeugwerks weiter. Man habe für die Umsetzung des MS-21-Programms "eine neue Hightech-Produktionsanlage" mit fortschrittlichen Technologien und automatisierten Produktionslinien geschaffen, schreibt Rostec dazu. Unter anderem seien eine neue Endmontagehalle, ein Logistikzentrum und ein Hangar für Bodentests entstanden. Auch neue Werkzeugmaschinen, etwa zur Bearbeitung von Titanteilen, habe man im großen Stil in Betrieb genommen. Rund 12.000 Mitarbeiter sind laut Werksangaben derzeit in Irkutsk beschäftigt. Mit Gehältern "über dem Branchendurchschnitt" und Investitionen in die umliegende Infrastruktur möchte UAC gerne noch weitere Fachkräfte in die Fabrik locken. Generell aber ist die MS-21rus ein nationales Mammutprojekt, an dem neben dem Endmontagewerk ein großes Netz von Zulieferbetrieben im ganzen Land beteiligt ist, das aus laut Rostec aus mehreren hundert kleineren und größeren Unternehmen besteht. "Russland ist das einzige Land der Welt, in dem zivile Flugzeuge vollständig in einem einzigen Land hergestellt werden", betonte UAC-Chef Badecha nach dem Arbeitstreffen in Irkutsk selbstbewusst. "Unsere Kapazitäten sind vollständig darauf vorbereitet, die Marktnachfrage zu befriedigen."

Langsam müssen Russlands Flugzeugbauer liefern

Wie viel Wunschdenken und wie viel Wahrheit in diesen großen Worten steckt, wird sich schon bald herausstellen. Die bislang aufgelaufenen Verzögerungen im Programm sind angesichts des Pensums notwendiger Arbeiten zwar objektiv verständlich und der ursprüngliche Zeitplan war ohnehin nie zu halten. Irgendwann aber, eher früher als später, wird Russlands zivile Luftfahrtindustrie auch endlich einmal liefern müssen.