Boom XB-1: Die "Mini-Concorde" geht in Rente - nach 13 Flügen

Schluss für Boom XB-1
Die „Mini-Concorde“ geht in Rente - nach nur 13 Flügen

Zuletzt aktualisiert am 11.02.2025

13 sind genug. Das jedenfalls denkt man sich beim US-Startup Boom Supersonic – und mottet das hauseigene Überschallflugzeug XB-1 nach lediglich 13 Testflügen wieder ein. Der 41 Minuten währende Ausritt am 10. Februar, bei dem die XB-1 mit Pilot Tristan "Gepetto" Brandenburg am Steuer Mach 1.18 erreichte, markierte den Schlussakkord der Testkampagne, die erst am 22. März 2024 mit dem Jungfernflug am Mojave Air & Space Port in Kalifornien begonnen hatte.

Das "Baby Boom" genannte Flugzeug tastete sich im vergangenen Jahr Stück für Stück und Flug für Flug näher an die Schallmauer heran. Schließlich knackte die XB-1 bei ihrem zwölften Flug Ende Januar 2025 erstmals die magische Mach-1-Marke. Per Livestream wohnten rund 50.000 Zuschauer dem Ereignis bei, durch das die XB-1 zum ersten zivilen Überschallflugzeugmuster seit der Concorde avancierte. Zudem ist die XB-1 der erste in den USA gebaute zivile Überschalljet überhaupt.

Mit dem 13. Testflug Anfang dieser Woche, bei dem Pilot Brandenburg insgesamt dreimal Mach 1 überschritt, setzte die XB-1 zugleich eine neue Höhenbestmarke: 36.514 Fuß, also knapp 11.130 Meter, stehen nun für den Dreistrahler im Datenblatt. Insgesamt war die als N990XB zugelassene XB-1 bei ihren 13 Flügen 525 Minuten in der Luft und legte dabei laut Herstellerangaben eine Gesamtdistanz von rund 6.640 Kilometern zurück. Insgesamt sechsmal durchbrach sie während ihrer beiden finalen Testflüge die Schallmauer.

Auf zu neuen Ufern

Die mit der XB-1 erzielten Meilensteine aber waren für Boom Supersonic von Beginn an nur Etappenziel. Das Unternehmen um Gründer und Chef Blake Scholl hat sich eine sehr viel größere Mission auf die Fahnen geschrieben: Mit dem Passagierjet "Overture" will Boom die Ära der kommerziellen Überschallflüge wiederbeleben. Und für dieses Unterfangen verkörperte die XB-1 nur einen Mosaikstein – wenn auch einen sehr entscheidenden.

Denn die mit der "Baby Boom" gesammelten Daten und Erfahrungswerte sollen in möglichst großem Umfang in die Entwicklung der Overture einfließen, deren endgültiges Design Firmenchef Scholl in etwa einer Woche eingefroren sehen möchte. Der "Design Freeze" für die zugehörigen Symphony-Triebwerke, die Boom nach erfolglos verlaufener Partnersuche ebenfalls selbst entwickeln will, soll laut Scholl im März folgen. Den Baubeginn für den ersten Overture-Prototyp strebt das Start-up in etwa anderthalb Jahren an, den Erstflug vor Ende des Jahrzehnts.

Ob das gelingen kann, bleibt abzuwarten, immerhin musste Boom in der Vergangenheit seine als Zielmarken ausgegebenen Zeitfenster immer wieder klammheimlich kassieren. Eine Praxis, die das Heer der Skeptiker über die Jahre stetig anwachsen ließ – und Zweifel nährte, ob ein Comeback der zivilen Überschall-Ära mehr als 20 Jahre nach dem letzten Concorde-Flug überhaupt noch in die Zeit passt.

Boom Supersonic

Überschall ohne Knall?

Boom-Chef Scholl und sein Team zeigen sich von dieser Debatte seit Jahren betont unbeeindruckt. Akustische Messdaten, die während der XB-1-Testkampagne gesammelt wurden, nähren laut Boom zumindest die Hoffnung, dass die spätere Overture nicht nur über See, sondern auch über Land grünes Licht für Überschallflüge erhalten könnte. Wegen des Überschallknalls, der beim Durchbrechen der Schallmauer entsteht, gilt das eigentlich als ausgeschlossen. Bei den Tests mit der XB-1 hat Boom nach eigenen Angaben jedoch erfolgreich einen sogenannten "Mach-cut-off"-Effekt demonstriert, bei dem ein Überschallknall unter bestimmten atmosphärischen Voraussetzungen nicht am Boden ankommt, sondern vorher in der Luft gebrochen wird.

"Dieser Effekt wird erreicht, indem die Schallmauer in ausreichend großer Höhe durchbrochen wird, wobei die genaue Geschwindigkeit je nach den atmosphärischen Bedingungen variiert", beschrieb Boom Supersonic im Nachgang des 13. und letzten Fluges das Phänomen. "Teams am Boden bestätigten erneut, dass die XB-1 während dieses Fluges dreimal die Schallmauer durchbrach, ohne dass ein hörbarer Überschallknall den Boden erreichte."

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"Eine große Sache"

Für Boom-CEO Blake Scholl ist diese Erkenntnis "eine große Sache". Schließlich ließen sich auf diese Weise "Überschallflüge über Land in den USA und im Rest der Welt legalisieren – und dann nicht nur transozeanische Flüge, sondern auch Flüge im ganzen Land beschleunigen." Basierend auf den akustischen und visuellen Daten, die Boom während der beiden letzten XB-1-Testflüge sammelte, geht das Unternehmen davon aus, dass die Overture später einmal ohne Knall mit Mach 1.3 über bewohntes Gebiet fliegen könnte. Für transozeanische Etappen visiert Boom für seinen Concorde-Nachfolger weiter Mach 1.7 an.

Die XB-1 soll derweil zeitnah vom Mojave Air & Space Port zur Firmenzentrale nach Colorado transportiert werden – und dort künftig als Ausstellungsstück das Foyer bereichern.