Wenn sich Zugvögel auf die Reise in ihr Winterquartier im Süden machen, legen sie oft mehrere Tausend Kilometer zurück. Um Kräfte zu sparen, fliegen vor allem große Vögel wie Kraniche, Kormorane und Gänse oft in einer V-Formation. Dabei nutzen sie die Luftverwirbelungen des versetzt vorausfliegenden Tieres.

Gänse, Kraniche und andere große Zugvögel fliegen in V-Formation, um Energie zu sparen.
Erste Formationsflugtests
Ingenieure denken schon länger darüber nach, wie sich dieses Prinzip auch auf die Luftfahrt übertragen lässt, um Treibstoff zu sparen. Die Technische Universität Braunschweig führte 1984 erste Flugversuche mit zwei Dornier Do 28 durch. Das hintere Flugzeug benötigte dabei bis zu 16,5 Prozent weniger Leistung. In der jüngeren Vergangenheit hat Airbus die Forschung zur so-genannten Wirbelschleppenenergie-Rückgewinnung vorangetrieben. Ziel des 2019 initiierten Projekts "fello‘fly" war es, die technische, betriebliche und wirtschaftliche Machbarkeit des Formationsflugs zu zeigen. Höhepunkt war der Formationsflug von zwei A350 (MSN 1 und MSN 59) am 9. November 2021 im transatlantischen Luftraum. Die beiden Widebodies flogen nur etwa 2,2 Kilometer voneinander entfernt (normalerweise müssen Flugzeuge im Reiseflug bei Radarüberwachung mindestens 9,3 Kilometer Abstand halten). Dafür entwickelte Airbus Pilotenassistenzfunktionen, um die sichere Positionierung des hinteren Flugzeugs zu gewährleisten. Analysen zeigten, dass das Verfolgerflugzeug mithilfe des stetigen Aufwinds der Wirbelschleppen den Schub reduzieren und so zwischen fünf und zehn Prozent Treibstoff pro Flug sparen kann.

Airbus hat 2021 mit zwei A350 gezeigt, dass eine Formation Treibstoff und CO2 spart.
Airbus-Projekt GEESE: Formationsflug im Airline-Betrieb
Doch wie könnte ein solcher Formationsflug im echten Airline-Betrieb aussehen? Mit dieser Frage beschäftigt sich Airbus im Projekt GEESE (Gain Environmental Efficiency by Saving Energy, auf Deutsch: Mehr Umwelteffizienz durch Energieeinsparung; das englische Wort "Geese" heißt Gänse). Das bis 2026 dauernde Projekt im Rahmen von SESAR-3 (Single European Sky ATM Research 3) wird mit zehn Millionen Euro vom EU-Programm "Horizont Europa" gefördert. Beteiligt sind unter anderem die Flugsicherungsorganisationen Eurocontrol, DSNA, NATS, die Fluggesellschaften Air France, French Bee, Virgin Atlantic und Delta Air Lines, die Hersteller von Flugsicherungssystemen Indra und Frequentis, aber auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Boeing. GEESE soll betriebliche Verfahren erarbeiten, die einen Formationsflugbetrieb für Transatlantik- und Transkontinentalflüge in Europa ermöglichen. Dafür nötig sind unter anderem moderne Flugmanagementsysteme und neue Cockpitfunktionen, mit deren Hilfe die Wirbelschleppen des vorausfliegenden Flugzeugs verfolgt werden können. Aber auch aufseiten der Dispatcher in den Betriebszentralen der Airlines erfordert der Formationsflug neue Systeme, um verschiedene Flugzeuge zusammenzubringen. Fluggesellschaften müssen dafür zusammenarbeiten, ihre Flugpläne adaptieren und passende Flugzeuge miteinander verbinden.

In Zukunft sind weitere Flugtests und Simulationen geplant, um das Konzept der Wirbelschleppenenergie-Rückgewinnung voranzutreiben und die betriebliche Umsetzung zu erforschen.
Weitere Flugtests und Simulationen geplant
Geplant sind verschiedene Simulationen mit den beteiligten Airlines, um solche "Pairing"-Verfahren zu validieren. Zudem sollen bei Flugtests weiter Wirbelschleppen untersucht werden. Im Fokus stehen diesmal die Wirbelschleppen des nachfliegenden Flugzeugs und die sichere Positionierung von Flugverkehr hinter einer Formation. Auch potenzielle Effekte hinsichtlich anderer Emissionen als CO2 sollen beobachtet werden. Die Flüge sind für die zweite Hälfte des kommenden Jahres geplant. Welche Flugzeuge dafür zum Einsatz kommen, sei noch nicht festgelegt, so Airbus. Die A350 bietet sich aufgrund ihrer modernen Avionik an, die es den Piloten ermöglicht, den Flugplan direkt ins Flugmanagementsystem hochzuladen. Man prüfe aber auch die A330 und einige Boeing-Flugzeuge. Airbus sieht für den realen Betrieb folgendes Vorgehen: Die Dispatcher der Fluggesellschaft erstellen wie gewohnt einen Flugplan und können angeben, ob ein Formationsflug gewünscht ist. Ein spezielles Software-Tool soll beim "Pairing" der Flugzeuge helfen und die vorteilhaftesten Kombinationen finden. Wenn die Airline-Betriebszentrale und die Flugsicherung sich bezüglich einer Formation abgestimmt haben, wird der neue Flugplan an die Piloten geschickt. Das nachfliegende Flugzeug muss über die Fähigkeit verfügen, sich automatisch hinter dem "Leader" zu platzieren und dessen Wirbelschleppen zu verfolgen. Aus Sicherheitsgründen starten beide Flugzeuge mit der Treibstoffmenge, die für die jeweilige Strecke ohne Formation benötigt wird.