Russlands Luftfahrtindustrie muss umdenken – und treibt die Entwicklung heimischer Komponenten so schnell es geht voran. So wird es den neuen Vorzeige-Passagierjet Irkut MS-21 nicht mehr wie geplant wahlweise mit PW1400-Getriebefans des US-Herstellers Pratt & Whitney oder mit einheimischen PD-14 von Awiadwigatel geben, sondern nur noch mit letzteren. Diese Verengung des Angebots ist alternativlos, und zwar deswegen, weil Pratt & Whitney sanktionsbedingt keine weiteren Motoren mehr nach Russland liefern wird.
Ähnlich sieht es bei sehr vielen anderen kleineren und größeren Bauteilen aus, die Russland für die MS-21 von ausländischen Zulieferern beziehen wollte. Und da hierzu auch komplexe Komponenten wie die Flugsteuerung zählen, die man nicht alle im Handumdrehen einfach so ersetzen kann, verzögert sich die Auslieferung der ersten Serien-MS-21 weiter. In Russland ist bereits von 2025 die Rede, nicht mehr "nur" von 2024.

USA raus, Russland rein
Immerhin bei der Triebwerksfrage dürften die Russen nun zügiger vorankommen. Flog nämlich bislang nur einer der fünf MS-21-Prototypen mit den russischen Awiadwigatel-Turbofans, so muss dieser ab sofort die Flugtests bis zur Zulassung des Antriebs nicht mehr ganz alleine absolvieren. Im Jakowlew-Flugzeugwerk Irkutsk tauschte vor Kurzem auch der erste MS-21-Prototyp, Kennzeichen 73051, seine PW1400G-Motoren gegen russische Pendants. In den kommenden Tagen soll das Flugzeug in Irkutsk zu ersten Testflügen aufsteigen, anschließend wird die 73051 wieder auf dem Flughafen Schukowski vor den Toren Moskaus erwartet, wo auch der Rest der MS-21-Testflotte zu Hause ist.
Schon lange geplant
Die antirussischen Sanktionen des Westens im Zuge des Ukraine-Krieges haben die zivile Luftfahrt im größten Land der Erde hart getroffen. Der Umbau der ersten Testmaschine von US-Triebwerken auf russische Motoren ist jedoch keine Folge der Entwicklungen seit dem 24. Februar – dem Tag, als Russland in der Ukraine einmarschierte. Vielmehr war der Motorentausch bereits seit Langem geplant. Schon auf dem Aviasalon MAKS in Schukowski im Sommer 2019 hatte ein Vertreter der russischen Flugzeugbau-Holding UAC im Gespräch mit der FLUG REVUE das Vorhaben skizziert. Die 73051 war dann am 22. Dezember 2021 zur Umrüstung nach Irkutsk geflogen.
Im Zuge der Umbaumaßnahmen tauschten die UAC-Techniker nicht nur die Triebwerke, sondern nahmen auch Anpassungsmaßnahmen an Stromversorgung und Verkabelung vor und spielten neue Software auf die Bordrechner. "Der Austausch des Antriebs ist eine ziemlich gravierende Umstellung, da andere Triebwerke eine andere Software für alle mit ihnen interagierenden Systeme benötigen", unterstrich ein UAC-Sprecher. Auch die Triebwerksverkleidungen wurden angepasst.

MS-21-310
Für die Zulassung des neuen Turbofans PD-14 sind nach Herstellerangaben 240 Testflüge angesetzt. Gute 100 davon hat der fünfte MS-21-Prototyp bereits abgespult. Das Flugzeug mit der Kennung 73055 war im Dezember 2020 zum Erstflug abgehoben und ist die einzige MS-21, die bereits von Beginn an mit den PD-14-Triebwerken unterwegs war. Die Typenbezeichnung für diese, nunmehr einzige, Version des neuen russischen Airliners lautet MS-21-310. Die Variante mit Pratt & Whitney-Triebwerken firmiert als MS-21-300.