Es ist eine Binsenweisheit, doch sie scheint sich in Russland gerade wieder zu bewahrheiten: Die Entwicklung eines neuen Triebwerks ist weit weniger trivial als die eines neuen Flugzeugs. Tatsächlich startete der Prototyp des russifizierten Suchoi Superjet schon im August 2023 zum Erstflug – musste dabei aber noch auf seine neuen, rein russischen Triebwerke verzichten und stattdessen mit den bekannten SaM146-Motoren des russisch-französischen Joint-Ventures PowerJet abheben.

Der erste "russifizierte" Superjet ist zwar schon geflogen - allerdings noch immer nicht mit russischen PD-8-Motoren.
Zulassung in weiter Ferne
Das Awiadwigatel PD-8, das beim zuvor sehr international geprägten Superjet das SaM146 ersetzen soll, war beim Jungfernflug des neuen Flugzeugs noch nicht bereit. Erst im Oktober 2023 fand es seinen Weg an den Prototyp und absolvierte erste Probeläufe. Ende des Jahres, so der Plan, sollten Superjet und PD-8 zusammen abheben. Doch daraus wurde nichts. Genau genommen ist die Testmaschine seit dem Umbau auf das neue Triebwerk bis zum heutigen Tag noch nicht geflogen. Dabei sieht das anstehende Zulassungsprogramm über 200 Testflüge vor – und sollte längst voll im Gange sein, da man 2024 die ersten Flugzeuge an Kunden übergeben wollte. Nach ursprünglichem Plan hätten sogar schon 2023 zwei neue Superjets ausgeliefert werden sollen.

Das PD-8 ging bislang lediglich testweise mit einer Il-76 in die Luft, die als fliegender Prüfstand genutzt wird.
Auslieferung "frühestens 2026"
Stattdessen aber hängt der auf PD-8 umgerüstete Superjet weiter am Boden fest. Auch die seit 2022 laufende Flugerprobung des PD-8 an einer zum fliegenden Prüfstand modifizierten Iljuschin Il-76 scheint momentan ausgesetzt. Inzwischen hat der Staatskonzern Rostec die Zulassung des Antriebs offiziell auf Ende 2024 vertagt. Am 1. März schob Rostec nach, dass sich dadurch die Übergabe der ersten Serienflugzeuge auf "frühestens 2026" verschieben werde.
Massive Probleme
Das Triebwerk dürfte dafür nicht der einzige Grund sein, mussten die Russen doch nach eigenen Angaben 38 Systeme und Komponenten, die zuvor von westlichen Zulieferern kamen, durch heimische Pendants ersetzen. Trotzdem ist es längst kein Geheimnis mehr, dass das ab 2019 aus dem größeren PD-14 entwickelte PD-8 mit massiven technischen Schwierigkeiten kämpft. Das gab sogar der russische Industrie- und Handelsminister Denis Manturow im Februar unumwunden zu: "Wahrscheinlich eines der schwierigsten Themen, auf die wir achten müssen, sind Probleme im Zusammenhang mit der Erprobung des PD-8-Motors." Bereits Ende Dezember hatte die Rostec-Tochter UEC (United Engine Corporation), die für die Entwicklung des Triebwerks verantwortlich ist, bekannt gegeben, dass man während der Probeläufe am Boden "die Notwendigkeit zusätzlicher Arbeiten festgestellt" habe. Das PD-8 sei in seiner gegenwärtigen Form nicht betriebsbereit.

Das PD-8 wurde auf Grundlage des größeren PD-14 entwickelt, das für die Jakowlew MS-21rus vorgesehen ist.
Im Flugtest überhitzt?
Wo genau die Probleme des PD-8 liegen, wird offiziell nicht erläutert. Unbestätigten Informationen zufolge soll es 2023 jedoch bei Tests in einer Flughöhe von 7.000 Metern zu einer "Panne" gekommen sein, weil Elemente des Triebwerks überhitzten. Dazu würde die Rostec-Meldung vom 14. Februar passen, wonach UEC "mit der Produktion von PD-8-Triebwerksschaufeln aus modernsten hitzebeständigen Legierungen begonnen" hat.
"Insgesamt wurden im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Nationalen Forschungszentrum 'Kurtschatow-Institut' fünf neue Legierungen für die Herstellung einer Reihe von Elementen des PD-8-Triebwerks entwickelt", schrieb Rostec in der Pressemeldung weiter. Der dafür zuständige UEC-Chefingenieur Igor Iljin ergänzte: "Jeder moderne Motor ist in erster Linie das Ergebnis wissenschaftlicher Forschung und Entdeckungen. Die entwickelten Gusslegierungen ermöglichten es, die von den Konstrukteuren eingebrachten fortschrittlichen Eigenschaften für das Triebwerk umzusetzen." Die Frage ist nur: wann?