Es war alles einmal anders geplant. Eigentlich wollten Deutschland und Frankreich gemeinsam einen neuen Seefernaufklärer entwickeln, der spätestens 2035 die französischen Atlantique 2- und die deutschen Orion-Turboprops hätte ablösen sollen. Basis dafür sollte der Airbus A320neo sein, das Projekt hörte auf den Namen MAWS (Maritime Airborne Warfare System). Doch mit der (technisch kaum vermeidbaren) Entscheidung der deutschen Regierung, die P-3C Orion aufgrund "nicht mehr kalkulierbarer Gesamtkosten" nicht erst 2035, sondern schon 2025 aus dem Verkehr zu ziehen, bekam MAWS erstmals Schlagseite. Und seit Deutschland offiziell in den USA für mindestens fünf Boeing P-8A Poseidon unterschrieben hat, glaubt in Frankreich niemand mehr so recht daran, dass aus dem gemeinsamen Vorhaben noch etwas wird.

P-8A ist keine "Zwischenlösung"
Die Regierung in Paris zeigte sich über Deutschlands Poseidon-Deal "verärgert", wie es die Tageszeitung "La Tribune" im Sommer 2021 auf den Punkt brachte. Zwar gilt die P-8A in Berlin nach außen hin noch immerr als "Zwischenlösung", bis das deutsch-französische Pendant verfügbar sei. Doch sowohl leistungstechnisch als auch finanziell verkörpert die Poseidon, neben der japanischen Kawasaki P-1 das mit Abstand modernste und leistungsstärkste Muster für die zugedachten Aufgaben, natürlich viel mehr als nur ein Provisorium. Zumal der zur Einführung der P-8A betriebene Aufwand für die avisierte Spanne von nur gut zehn Jahren bis zum abermaligen Wechsel des Einsatzmusters unverhältnismäßig hoch wäre. Selbst vor dem Hintergrund, dass man die Poseidons als Gebrauchtflugzeuge zum akzeptablen Preis weiterverkaufen könnte, stehen die Chancen auf eine binationale Verwirklichung von MAWS alles andere als gut. Und das weiß man natürlich in Frankreich sehr wohl.

Airbus versus Dassault
Deshalb treibt die französische Regierung die Suche nach einem Nachfolger für die Atlantiqe 2, von der Frankreich noch 22 Exemplare besitzt, vorerst allein voran. Vor Kurzem beauftragte das Verteidigungsministerium in Paris über die Behörde für Rüstungsbeschaffung (Direction générale de l’armement, DGA) die Flugzeughersteller Airbus und Dassault mit Studien für einen neuen U-Boot-Jäger. Dassault konzentriert sich als Basis dabei auf den noch in der Entwicklung steckenden Ultralangstrecken-Businessjet Falcon 10X. Airbus dagegen baut, analog zum MAWS-Projekt, auf der A320neo als Grundlage auf. "Innerhalb der breiten Palette von Airbus-Flugzeugen ist diese Lösung am besten geeignet, um alle Aufgaben der Marine zu erfüllen", erklärte Airbus Defence am 12. Januar in einem Twitter-Beitrag.
Offen für Partner aus Europa
Frankreich finanziert die Studien beider Hersteller laut einer DGA-Pressemitteilung mit jeweils 10,9 Millionen Euro. Erwartet werde eine "wirtschaftlich attraktive Lösung (...), die die operativen Anforderungen der französischen Marine im Zeithorizont nach 2030 erfüllt." Airbus und Dassault haben nun 18 Monate Zeit, um eine solche Lösung zu formulieren. Die Ergebnisse der Studien "werden zu den Diskussionen über das zukünftige Seeaufklärungsflugzeug (Patmar) beitragen", so die DGA weiter. Der Programmstart für das neue Muster sei für 2026 geplant. Für die Zusammenarbeit mit "interessierten europäischen Partnern" will Frankreich weiter ausdrücklich offen bleiben. Von Deutschland als möglichem Partner ist in der Presseerklärung namentlich aber nicht die Rede. Möglichst ab 2030 soll der neue Seefernaufklärer dann zur Verfügung stehen, damit die französischen Atlantiqe 2 sukzessive in Pension gehen können.