Einzigartige Antonow An-70: Was wurde aus dem ukrainischen Turboprop-Transporter?

Einzigartiger Turboprop-Transporter
Was wurde aus der Antonow An-70 der Ukraine?

Veröffentlicht am 11.07.2025

Kaum ein Flugzeugmuster steht so sehr für das tragische Scheitern der russisch-ukrainischen Zusammenarbeit nach dem Ende der Sowjetunion wie die Antonow An-70. Bis zu 160 Exemplare des militärischen Transportflugzeugs wollten die Russen zeitweise für ihre Luftstreitkräfte kaufen, die Ukrainer weitere fünf. Später war immerhin noch von rund 60 Flugzeugen für Russland die Rede, deren Auslieferung damals, zum Zeitpunkt der Verkündung im Frühjahr 2011, zwischen 2015 und 2020 angedacht war. Gebaut werden sollte die An-70 sowohl in Russland als auch bei Antonow in der Ukraine. Komponenten sollten – wie in alten Sowjetzeiten – von Zulieferern beider Staaten kommen, wobei die russische Seite den Löwenanteil stellte. Markantestes Merkmal des neuen Flugzeugs waren die vier je 13.800 PS starken D-27-Turboprop-Triebwerke von Iwtschenko-Progress aus der Ukraine, die jeweils zwei gegenläufige SW-27-Propeller des russischen Herstellers Aerosila antrieben. Für viele Beobachter avancierte die An-70 durch dieses Design mit den großflächigen, sichelförmigen Propellerblättern zum ersten Transportflugzeug mit Propfan-Antrieb.

Antonow An-70, Turboprop-Transportflugzeug aus der Ukraine
Universal Images Group Editorial

Nicht mit Glück gesegnet

Doch das Projekt, mit dem man ältere Transportflugzeuge wie die An-12 ersetzen wollte, war von Anfang an mit wenig Fortune gesegnet. Dazu zählt, dass der erste Prototyp der An-70, der am 16. Dezember 1994 am Antonow-Werksflughafen Kiew-Hostomel erstmals abgehoben war, schon bei seinem vierten Testflug zwei Monate später abstürzte und alle sieben Menschen an Bord in den Tod riss. Anhaltende finanzielle Schwierigkeiten in beiden Ländern, die dazu führten, dass sich die weitere Entwicklung der An-70 wie Kaugummi zog, taten ihr Übriges.

Bruch mit Russland

Spätestens mit dem Umsturz in Kiew im Frühjahr 2014, in dessen Folge Russland und die Ukraine fast über Nacht zu Gegnern wurden, war das Schicksal der An-70 faktisch besiegelt. Die neue Regierung in Kiew beendete per Beschluss im April 2014 jegliche militärisch-technische Zusammenarbeit mit Russland und verbot kurz darauf die Ausfuhr von Militär- und Dual-Use-Produkten an die vormalige Brudernation. Russland strich daraufhin 2015 die An-70 aus dem Beschaffungsplan für seine Streitkräfte, während die Ukrainer versuchten, das Projekt mithilfe westlicher Partner und Investoren neu zu beleben. Auch an westlichen Ausschreibungen für neue Militärtransporter nahm man teil, untersuchte den Umbau der Propfan-getriebenen An-70 zur An-188 mit vier CFM-56-Turbofans – und musste schließlich eingestehen, dass es Antonow nicht gelingen konnte, den hohen Anteil russischer Komponenten im notwendigen Umfang zu ersetzen. Ein Serienbau der An-70 oder eines Derivats sei "absolut unrealistisch", gab der damalige Vize-Ministerpräsident der Ukraine Oleh Urusky im Juli 2020 zu Protokoll.

Antonow An-70, Turboprop-Transportflugzeug aus der Ukraine
Bloomberg

Die einzige An-70

Damit war die An-70 zwar industriepolitisch tot – nicht aber aviatisch. Denn nach dem Crash der ersten Testmaschine hatte Antonow 1997 einen zweiten Prototyp zum Jungfernflug gebracht, der als Ersatz für das abgestürzte Exemplar aus einer statischen Testzelle entstanden war. Dieser legte zwar 2001 infolge eines Triebwerksausfalls selbst eine massive Bruchlandung hin, wurde aber repariert, und absolvierte eine vollwertige Flugerprobung. Anschließend stieß er, zunächst im zivilen weißen Farbkleid als UR-NTK, später dann in Dunkelgrau mit dem Kennzeichen UR-EXA, formell zur Flotte der Antonow-Werksfluggesellschaft Antonov Airlines. 2015 wurde er offiziell ins Inventar der ukrainischen Luftwaffe übernommen.

Fortan flog die An-70, als einziges Flugzeug ihrer Art, mit dem goldenen Dreizack am Heck und der militärischen Kennung "02 Blau" im Militärdienst. Dann jedoch kam der 24. Februar 2022, Russlands Angriff auf die Ukraine – und das Schicksal des einzigartigen Turboprop-Transporters verlor sich im Nebel der Geschichte. Zumindest vorübergehend, denn während in diesen Tagen alle Welt fassungslos auf den Antonow-Werksflugplatz Hostomel blickte, wo bei Kämpfen zwischen russischen und ukrainischen Truppen mit der An-225 "Mrija" ein sehr viel prominenteres Flugzeug-Unikat zerstört wurde, scherte sich die Öffentlichkeit wenig um den Verbleib der deutlich weniger bekannten An-70.

Flucht ins polnische Exil

Im Gegensatz zur riesigen An-225 und einer Reihe weiterer seltener Antonow-Flugzeuge weilte die An-70 zum Zeitpunkt der russischen Invasion allerdings nicht in Hostomel. Vielmehr gelang es der ukrainischen Luftwaffe irgendwann während der ersten Kriegstage, das dunkelgraue Propfan-Einzelstück zusammen mit mehreren anderen militärischen Transportflugzeugen nach Polen zu evakuieren. Im ostpolnischen Deblin, etwa 130 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, hat die An-70 seither Asyl gefunden. Geflogen ist sie nach ihrer Landung auf dem örtlichen Fliegerhorst nicht mehr. Lediglich ein wenig durch die Gegend gezogen wurde sie am Boden zwischenzeitlich. Ansonsten steht sie sich im Beisein von rund einem halben Dutzend ukrainischer Iljuschin Il-76 bis heute auf dem Vorfeld die Fahrwerksbeine in den Bauch, wie Satellitenbilder aus Deblin belegen.

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