Il-114-300: Wird Russlands Turboprop zum Rohrkrepierer?

Iljuschin Il-114-300
Russlands Turboprop auf dem Weg zum Rohrkrepierer?

Zuletzt aktualisiert am 09.10.2023

Eigentlich ist die Iljuschin Il-114-300 ein recht ausgereiftes Flugzeug – sollte man zumindest meinen. Immerhin reichen die Wurzeln der Zweimot bis in die 80er-Jahre zurück, und die erste Generation der Il-114 feierte ihren Erstflug bereits 1990. Dass diese erste Ausführung kapital floppte und nur 20 Exemplare gebaut wurden, lag weniger am Flugzeug selbst, als an den politischen Umständen der damaligen Zeit. Die neue Il-114-300, Ende 2020 zum ersten Mal geflogen, unterscheidet sich optisch denn auch kaum von ihrer glücklosen Vorgängerin. Die Änderungen liegen vor allem im Inneren der Zelle – und hier steckt der Teufel im Detail, oder besser: in den Triebwerken.

UAC

Triebwerk als Sorgenkind

Die Motoren der Il-114-300 sind der Grund, warum die Flugerprobung der Maschine schon seit mehr als zwei Jahren ruht, und auch ein bereits fertiger zweiter Prototyp noch immer nicht den Erdboden verließ. Denn während die alte Il-114 wahlweise mit Pratt & Whitney PW127-H-Turbinen oder russischen Klimow TW7-117 angeboten wurde, haben die Russen in der Il-114-300 das aus letzterem Antrieb abgeleitete, modernisierte TW7-117ST-01 verbaut. Das wiederum kam – in einer leicht abgewandelten Version – auch beim neuen russischen Militärfrachter Il-112W zum Einsatz, dessen einziger Prototyp am 17. August 2021 nahe Kubinka abstürzte – weil eines der Klimow-Triebwerke unterwegs in Flammen aufging.

Dringend erwartet

Seither versuchen Russlands Triebwerksbauer, die Ursachen für die verhängnisvolle Fehlfunktion zu beseitigen und den Klimow-Turboprop betriebssicher zu machen. Dass seit dem Absturz von Kubinka keine Il-114-300 mehr in der Luft war (und die Il-112W womöglich als Jet neu starten soll), zeugt davon, dass der Durchbruch auch über zwei Jahre nach dem fatalen Crash auf sich warten lässt. Dabei bräuchten Russlands Airlines die Il-114-300 dringend, ist sie doch wichtiger Teil der von der Regierung verkündeten Strategie für den massiven Wechsel auf russisches Fluggerät bis zum Jahr 2030. 70 Exemplare des Regionalflugzeugs sollen bis zu dieser Deadline aus der Halle rollen. Damit das klappt, hatten die Planer die Übergabe der ersten beiden Il-114-300 für 2024 vorgesehen. Die Flugzeuge sind für Vologda Air Enterprise bestimmt, die mit den geleasten Turboprops ihre alten Jakowlew Jak-40 ersetzen will. Als Eigentümerin ist die State Transport Leasing Company (STLC) vorgesehen.

Kein zählbarer Erfolg

Vologda Air Enterprise wird ihre alten Jaks noch etwas länger fliegen müssen. Denn dass die Il-114-300 tatsächlich schon ab 2024 ausgeliefert wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Das sieht inzwischen sogar der Kreml ein. Zwar hieß es seitens Regierungsvertretern noch im April, man werde die Zertifizierungsflüge mit der Il-114-300 "in naher Zukunft" wieder aufnehmen. Doch bis dato ist auf diesem Gebiet nichts Zählbares geschehen – und das, obwohl der russische Staat die "Verfeinerung" des Il-114-300-Triebwerks mit 158 Millionen Rubel (1,47 Millionen Euro) unterstützt.

"Höhere Gewalt"?

Vielmehr existiert nun sogar ein Vorschlag aus Regierungskreisen, den Übergabetermin für die ersten Il-114-300 auf 2026 zu verschieben. Begründet wird die Verzögerung mit "höherer Gewalt": Aufgrund des Unfalls von Kubinka sei Iljuschin nach wie vor "nicht in der Lage, Zertifizierungsaktivitäten für das modernisierte Flugzeug Il-114-300" vorzunehmen, heißt es in dem Papier, das aus dem Verkehrsministerium stammt. Das mache es unmöglich, die vorgesehene Frist zur Lieferung der ersten Il-114-300 einzuhalten, weshalb die Vertagung auf 2026 unumgänglich sei.

Die Probleme mit dem Klimow-Triebwerk scheinen vor diesem Hintergrund sehr viel komplexer, als manche optimistische Verlautbarung aus Russland bislang suggerierte. Droht der Il-114-300 damit ein ähnliches Schicksal wie ihrer Vorgängerin? Der Fehlstart der zweiten Il-114-Generation ist jedenfalls endgültig besiegelt. Ob sich das Muster davon noch erholen kann, wird sich zeigen. Immerhin monierten Kritiker aus der Airline-Branche schon vor Jahren, die mit 68 Sitzen ausgestattete Il-114-300 sei für den ihr zugedachten Einsatzzweck eigentlich gar nicht geeignet – weil zu groß.