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Der türkische Stealth-Fighter in voller Pracht

Der Stolz der türkischen Luftfahrtindustrie rollt vor den Toren der Hauptstadt Ankara über den Taxiway. Das "Nationale Kampfflugzeug" MMU macht die Türkei endgültig zu einer Flugzeugbau-Nation. Doch am Ziel ist man in Ankara noch lange nicht.

Der türkische Stealth-Fighter in voller Pracht
Foto: SSB (Screenshot Youtube)

Vom Baubeginn der ersten Teile bis zum Rollout des (fast) fertigen Flugzeugs vergingen 498 Tage. Und hätte nicht Anfang Februar ein verheerendes Erdbeben die Türkei und Syrien heimgesucht und mehr als 50.000 Menschenleben gefordert, wäre der 18. März 2023 als historischer Tag in die Geschichte der türkischen Luftfahrt eingegangen. Für diesen Tag nämlich war die feierliche Vorstellung des "Milli Muharip Uçak" (MMU) anberaumt gewesen – des Nationalen Kampfflugzeugs der Türkei, das in wenigen Jahren seinen Dienst bei der türkischen Luftwaffe aufnehmen soll. Die große öffentliche Feier fiel jedoch ins Wasser – aus Respekt vor den Erdbebenopfern. Sie soll später nachgeholt werden, wie aus der Türkei zu hören ist. Einen konkreten Termin gibt es noch nicht.

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Triebwerk aus den USA – noch

Nichtsdestotrotz verließ das MMU am 16. März, zwei Tage vor dem angedachten Rollout-Termin, erstmals aus eigener Kraft seinen Hangar, angeschoben von zwei General Electric F110-GE-129-Turbofans. Und auch am Folgetag machte der Prototyp die Rollwege unsicher – sehr zur Freude von Ismail Demir. Der Chef der türkischen Agentur für Verteidigungsindustrie twitterte euphorisch: "In Gedenken an unsere Märtyrer! Wir sagten, wir würden unser Nationales Kampfflugzeug am 18. März aus dem Hangar holen. Unser Flugzeug ist heute auf der Landebahn!"

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Später einmal sollen die aus den USA stammenden F110-Triebwerke das türkische Prestigeflugzeug mit je 131 kN Nachbrennerschub auf über 2.200 km/h beschleunigen. Und noch später sollen die US-Triebwerke gegen selbst entwickelte, heimische Motoren ausgetauscht werden – wie es derzeit aussieht, mit tatkräftiger Unterstützung von Rolls-Royce. Doch bis es so weit ist, wird noch einiges an Wasser durch den Bosporus fließen. Ein neues Triebwerk gibt es frühestens 2029. Noch steht man ganz am Anfang: Erst im Februar hatte Hersteller Turkish Aerospace Industries (TAI) die GE-Motoren im Prototyp installiert und Anfang März zum ersten Mal vom Cockpit aus gezündet. Laut TAI-Chef Temel Kotil soll das Flugzeug irgendwann im laufenden Jahr zum Erstflug abheben.

SSB / TAI
Das MMU beim Rolltest am 17. März 2023, vermutlich auf dem TAI-Werksflugplatz Mürted, 25 Kilometer nordwestlich von Ankara.

Der Stealth-Jet im Detail

Auch wenn sich für Außenstehende kaum feststellen lässt, wie viel fertige Technik wirklich schon unter der Hülle der Maschine steckt: Die Rolltests des Tarnkappenjets vor den Toren Ankaras sind zweifellos ein Meilenstein. Und die Zeitspanne von der Premiere eines Mockups im Juni 2019 bis zum Laufsteg-Debüt des echten Prototyps ist beeindruckend kurz – zumindest für ein Land, das zum ersten Mal ein eigenes modernes Kampfflugzeug baut.

Inzwischen hat die Agentur der türkischen Rüstungsindustrie eine Reihe qualitativ höherwertiger Bilder des MMU auf dem Taxiway veröffentlicht. Die neuen Fotos zeigen den Stealth Fighter aus diversen Perspektiven. In der Frontansicht fällt vor allem die große "Warze" auf, die das MMU unterhalb des Cockpits auf dem Nasenrücken trägt – und in der sich mutmaßlich der Sensor des Infrarotzielsystems (IRST) befindet, über das der Stealth-Jet laut Herstellerangaben verfügen soll. Ein weiterer Sensor am Kinn des Flugzeugs dürfte zu einem elektrooptischen Zielsystem (EOTS) gehören. In der Nasenspitze soll später einmal das AESA-Radar BUFIS vom türkischen Hersteller ASELSAN Platz finden. Es ist allerdings nicht vor 2025 verfügbar – und fehlt daher in der ersten Testmaschine. Erst der zweite Prototyp wird plangemäß mit dem Radar beglückt, während der Erstling sich zunächst der kritischen Entwurfsprüfung stellen muss.

SSB / TAI
Die beiden Triebwerke liegen beim MMU relatv weit auseinander. Welche Funktion der wuchtig wirkende Heckkonus dazwischen einnimmt, ist noch nicht bekannt.

Critical Design Review

Ob sich am Design des Flugzeugs infolgedessen noch maßgebliche Dinge ändern, bleibt abzuwarten. Von vorn ähnelt die Silhouette des MMU mit ihrem rautenförmigen Querschnitt jedenfalls bis jetzt stark jener der Lockheed Martin F-22 Raptor. Wie die F-22 besitzt das MMU ein Fahrwerk mit drei Einzelrädern. Mitgeführte Waffen sollen später in internen Schächten Platz finden. Die Länge des MMU beträgt nach Herstellerangaben 21 Meter, die Spannweite 14 und die Höhe sechs Meter. Eine 90-Grad-Seitenansicht gab es zunächst nicht – inzwischen tauchte auf Youtube jedoch ein Video vom Rollout auf, das den Fighter auch von der Seite zeigt. Die dort erkennbare Designsprache hebt sich doch deutlich von Jets wie der F-22 ab. Insgesamt wirkt das MMU etwas gedrungener als die Raptor und besitzt – wie schon das Mockup in Paris – Seitenleitwerke, die eher denen der F-35 oder der chinesischen Chengdu J-20 ähneln. Markant ist die auffällig hochgezogene Nase, die oben in fast gerader Linie an das Cockpit anschließt.

Als Werkstoffe für das MMU kommen Aluminium, Titan und Verbundwerkstoffe zum Einsatz – letztere vor allem für die Außenhaut, während die Struktur des Rumpfmittelstücks laut TAI aus Titan gefertigt wird. Nach Angaben von TAI-Chef Kotil sollen die Teile für das MMU zu 85 Prozent aus heimischen Quellen kommen. Wichtigste Komponente aus dem Ausland ist – neben den Triebwerken – der Schleudersitz, den Martin-Baker aus Großbritannien beisteuert.

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Ehrgeiziger Fahrplan

Piloten des MMU sollen im Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Fly-by-Wire und intuitiven Systemen profitieren, wie der türkische Luftfahrtjournalist Tolga Özbek unter Berufung auf TAI-Angaben schreibt. Auch ein Helmdisplay à la F-35 ist geplant. Dank tatkräftiger Computer-Unterstützung eigne sich das MMU laut Özbek auch als fliegender Kommandostand für Drohnenschwärme – etwa die von Baykar entwickelte Stealth-Kampfdrohne Kızılelma. Einen Zweisitzer plant TAI aktuell nicht, doch der Fahrplan ist auch so schon ehrgeizig genug: Laut türkischen Medienberichten will TAI bis Ende 2026 insgesamt drei MMU-Prototypen der Grundausführung Block 0 in die Luft bringen. Ein weiterer Prototyp soll der seriennahen Version Block-1 entsprechen und erweiterte Fähigkeiten besitzen. Die Auslieferung der ersten zehn Serienflugzeuge mit Block-1-Standard an die türkische Luftwaffe könnte im Idealfall 2029 beginnen.

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Erscheinungsdatum 05.05.2023