Gäbe es einen Preis für die langsamste Endmontage eines Großraumjets, das WASO-Flugzeugwerk in Woronesch wäre ein heißer Anwärter auf den Titel. Anfang Januar 2020, vor ziemlich genau zwei Jahren also, war in Woronesch der Zusammenbau der ersten Iljuschin Il-96-400M angelaufen. Fertig ist der Vierstrahler bis heute nicht. Und doch leuchtet ihm nun endlich ein Licht am Ende des Montagetunnels.
Aktuelle Fotos aus Woronesch zeigen die Il-96-400M in einem äußerlich fast kompletten Zustand, inklusive Leitwerk, Fahrwerk und Triebwerksgondeln. Letztere sind zwar verhüllt, weshalb sich nicht feststellen lässt, ob in ihnen bereits die PS-90A1-Turbofans von Awiadwigatel schlummern. Allerdings nennt das russische Ministerium für Industrie und Handel erstmals einen konkreten Erstflugtermin: "Wir planen, dass die Il 96-400M ihren Erstflug bis Ende des Jahres absolvieren wird", zitiert die Agentur Tass den Stellvertretenden Minister Oleg Bocharow.

Gerüchte um künftige Aufgaben
Wird nun also doch noch gut, was lange währt? Fast: Denn was mit der Il-96-400M nach ihrem Jungfernflug passiert, ist offenbar noch immer nicht ganz klar. Mangels Kunden aus dem Airline-Sektor legte Russlands staatliche Flugzeugbau-Holding UAC den geplanten Serienbau des Vierstrahlers bereits im Frühjahr 2021 auf Eis. Stattdessen hieß es damals, man werde zwei Il-96-400M für Regierungsdienste bauen. Die Zeitung Wedemosti schrieb, dass beide Exemplare die Flotte der VIP-Spezialflugstaffel "Rossija" verstärken sollen. Später im Jahr zitierte Tass einen Insider, demzufolge das Militär die beiden Il-96-400M als fliegende Kommandoposten, sogenannte "Weltuntergangsflugzeuge", nutzen wolle.

Testplattform für neues Triebwerk?
Nun aber bringt Regierungsmitglied Bocharow noch ein weiteres Szenario ins Spiel: Wenn es nach ihm geht, soll die Il-96-400M als Testträger für das neue Turbofan-Triebwerk PD-35 herhalten, das Russland derzeit entwickelt – und das dereinst den mit China geplanten Großraum-Zweistrahler CRAIC CR929 antreiben soll. Ihre Auslegung, insbesondere ihr Flügel-Design, prädestiniere die Il-96-400M "als fliegendes Labor zum Testen der PD-35-Triebwerksfamilie" mit Schubstärken zwischen 24 und 50 Tonnen, diktierte Bocharow am Rande eines Treffens mit Ministerpräsident Mischustin den Journalisten von Tass und Kommersant in die Blöcke. Ob damit die zunächst angedachten Einsatzszenarien für die Il-96-400M hinfällig sind, oder ob das Militär sich lediglich noch eine Weile länger gedulden muss, bis das Flugzeug seine Pflicht als Testplattform erfüllt hat, geht aus den jüngsten Berichten nicht hervor.
UAC und Regierungskreise hatten in der Vergangenheit auch immer wieder mit einer zweistrahligen Version der Il-96-400M geliebäugelt – angetrieben von PD-35-Triebwerken.